Ein Richtungswechsel: E-Commerce und seine Auswirkungen auf den Markt für Autozubehör

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automotive-aftermarket-2Die transformative Kraft des Onlinehandels und die Möglichkeiten, die sich dadurch in vielen Branchen und Märkten eröffnen sind weithin bekannt. Für viele Firmen ist das Entwickeln einer E-Commerce Strategie heute keine bloße theoretische Überlegung oder Experiment mehr, sondern vielmehr ein zentraler Bestandteil ihres Geschäftsmodells. Verglichen mit vielen anderen Geschäftsfeldern ist die Onlinekomponente im Autozubehör noch unterrepräsentiert. Dies liegt vor allem an der komplexen Natur der vertriebenen Produkte, Versorgungsketten und strategischen Partnerschaften in der Branche. Wenn innovative Akteure es schaffen, diese Herausforderungen zu meistern, dann haben sie die Möglichkeit aus einem noch unterentwickelter Dienstleistung Kapital zu schlagen, welcher das Geschäftsmodell der gesamten Branche sprengen könnte.

Der aktuelle Stand im Onlinehandel mit Autozubehör

Der Handel mit Autozubehör versorgt Autobesitzer und Händler mit einer enormen Palette an Teilen für die Reparatur oder Nachrüstung von Fahrzeugen. Die Mehrzahl dieser Teile ist äußerst komplex und verlangt Expertenwissen, um ordnungsgemäße Funktion und öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Die strategischen Partnerschaften in den Vertriebskanälen der Branche werden traditionellerweise von Erstausrüstern (Original Equipment Manufacturer – OEM) und Autobauern wie Toyota oder Audi dominiert. Diese kaufen Teile von Lieferanten zu und schränken deren Möglichkeiten zum Direktvertrieb an Endkunden ein. Die Komplexität des Autos, unzählige Teile sowie die strategischen Beziehungen in den Vertriebskanälen der Branche stellen eine strukturelle Hürde dar, welche den Wandel hin zum E-Commerce stark erschwert.

Heimwerker, die ihre Teile direkt einkaufen und selbst einbauen, sind zwar eine verlässliche Einkommensquelle, stellen jedoch nur eine relativ kleine Nische des gesamten Marktes dar. Da Autos dermaßen komplexe Maschinen mit einer Vielzahl an Teilen sind, verlassen sich die meisten Kunden lieber auf die Expertise von lokalen Kfz-Mechanikern und Händlern. Des Weiteren kaufen Kunden ihre Teile oft extrem kurzfristig aufgrund eines unerwarteten Problems ein und erwarten sich eine rasche Reparatur um möglichst noch am selben Tag wieder auf der Straße zu sein. Das stellt sowohl eine Herausforderung als auch eine Möglichkeit vor allem in Schwellenländern dar, wo der Direktvertrieb von Kfz-Teilen rapide wächst aber aufgrund von wenig ausgereiften Vertriebssystemen noch recht unorganisiert ist.

Diese Hürden erklären, warum sich der Handel mit Autozubehör nur langsam dem Onlinehandel öffnet. Nichtsdestotrotz verändern sich die Einkaufs- und Nutzungsgewohnheiten der Auto- und Ersatzteilkunden. In den USA ist das Durchschnittsalter von Fahrzeugen in den letzten 10 Jahren um 26 Monate gestiegen und liegt nun bei 11,5 Jahren. Besitzer werkeln und reparieren zunehmend an ihren Autos herum anstatt neue Modelle zu kaufen und sie benutzen hierfür auch Onlineressourcen. Obwohl nur unter 10 Prozent der Heimwerker ihre Einkäufe online abwickeln, benutzt dennoch die Hälfte das Internet um sich zu informieren und den Einkaufsprozess einzuleiten. Die Konsumenten schätzen die Informations- und Preistransparenz im Internet, vor allem da Mechaniker und Autowerkstätten traditionell im Ruf stehen, es mit der Preisfairness nicht immer so genau zu nehmen. Lieferanten können das Wissen und Vertrauen der Konsumenten erhöhen, indem sie ihr Markenbewusstsein in Onlineplattformen stärken und Tutorials und Lehrvideos auf ihren Websites anbieten, die den Gebrauch ihrer Produkte erklären.

Das Verbinden von Online- und Offlinetätigkeiten durch ‘brick-and-click’ Filialen ist eine weitere effektive Strategie zur Integration der Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Auch wenn die Entwicklung von E-Commerce Plattformen für den direkten Kundenkontakt viele Herausforderungen bereithält, gibt es dennoch große Wachstumschancen für Unternehmen, die gewillt sind innovative und integrierte Konzepte anzugehen.

Wiewohl der Direktverkauf im Heimwerkermarkt stetig wächst, entfällt nach wie vor die Mehrzahl der Verkäufe auf den ‘Do-It-For-Me’ (DIFM) Markt, in welchem Autowerkstätten und Tankstellen Teile für Kunden kaufen, deren Autos Reparaturen oder Nachrüstungen benötigen. Die meisten DIFM Unternehmen, die online einkaufen, suchen sich ihre Lieferanten nicht aufgrund des Onlinehandelsaspekts aus, sondern beziehen ihre Ware vielmehr von Lieferanten, mit welchen sie bereits eine jahrelange Beziehung durch andere Kanäle gepflegt haben. Jedoch wächst der Vertrieb von Heimwerken und DIFM zunehmend zu einigen identen Plattformen zusammen und diejenigen, die es schaffen den lukrativen DIFM Markt zu erobern, haben gute Aussichten die größten Profite zu ernten. Viele traditionelle Lieferanten wie Bosch bringen sich in Position um sich als dominante Akteure im Internet zu etablieren, während E-Commerce Riesen wie Amazon und eBay ebenfalls in die Branche drängen. Diese Unternehmen planen die Umwälzungen in der Branche zu nutzen um sich als erste Adresse für den Handel mit Autozubehör zu etablieren, indem sie billigere Preise und besseren Service durch ihre Größe und Infrastruktur anbieten.

Professional Service_CB icons_2015 Dazu: Unternehmensberatung von Dezan Shira & Associates
Auswirkungen auf die Lieferkette

Als Resultat der Veränderungen der Geschäfts- und Vertriebsmodelle durch E-Commerce, beginnt sich auch die komplexe Lieferkette für den Kfz-Teilehandel zu verändern. Traditionellerweise verkaufen OEMs und spezialisierte Lieferanten Teile an landesweite und regionale Vertriebszentren, welche diese dann an lokale Werkstätten und Tankstellen weiterverkaufen. OEMs als Originalhersteller von Autoteilen sind normalerweise teurer, bieten ihren Kunden jedoch Qualitätssicherheit und garantierte Kompatibilität mit ihrem Fahrzeug. Teile von sekundären Anbietern auf der anderen Seite sind generell billiger und bieten eine größere Bandbreite an Qualität, manchmal sogar besser als das Original.

Eine Konsolidierung der Lieferantenseite in der Branche sowie deren wachsende Möglichkeit des Direktverkaufs an Kunden intensivieren den Konkurrenzkampf mit den OEMs. Zubehörlieferanten umgehen zunehmend regionale Verteilungszentren und versenden ihre Ware direkt an Heimwerker und DIFM-Kunden. Diese Strategie hat aufgrund der riesigen Palette an unterschiedlichen Teilen und den kurzen Lieferzeiten jedoch ihre ganz eigenen Tücken und Herausforderungen. Im letzten Jahrzehnt ist die durchschnittliche Anzahl der verbauten Teile in einem Auto um über 50 Prozent, auf knapp 10.000, gestiegen. Die schiere Vielfalt an Teilen sowie die oft schwer vorhersehbare Nachfrage stellen Firmen, die eine E-Commerce Plattform zum Direktvertrieb aufbauen wollen vor immense Herausforderungen.

Aufgrund der stärkeren Konkurrenz von der Lieferantenseite im Direktvertrieb, sehen sich viele OEMs gezwungen ihre Preise zu senken. Als Antwort auf den Preisdruck ersetzen sie ihr bisheriges Vertriebssystem, in welchem sie Teile an regionale Verteiler verkauften, durch eigene Verteilerzentren und beschädigen dabei oft lang bestehende Geschäftsbeziehungen.

Trotz dieser Konkurrenzsituation müssen Zubehörlieferanten und OEMs daran arbeiten, weiterhin gesunde Geschäftsbeziehungen zu unterhalten. Viele Zubehörlieferanten sind auf Partnerschaften mit OEMs angewiesen und produzieren Teile in Auftragsfertigung, welche erst nachträglich als Originale gekennzeichnet werden. OEMs auf der anderen Seite haben ein Interesse gute Beziehungen zu ihren Lieferanten zu unterhalten, um Zugriff auf die neusten Technologien und niedrige Preise zu erhalten. OEMs können jedoch aufgrund ihrer schieren Größe Lieferanten, die sie mithilfe von Direktvertrieb umgehen, bestrafen, indem sie aufhören von ihnen einzukaufen. Um dies zu verhindern, differenzieren Lieferanten zunehmend zwischen Produktlinien für OEMs und solchen für den Direktvertrieb. Zubehörlieferanten und OEMs müssen also eine schwierige Balance zwischen Konkurrenz und Kooperation finden während sich Lieferketten und Geschäftspraktiken verändern und die vertikalen Beziehungen in der Branche zunehmend komplexer machen.

Professional Service_CB icons_2015 Mehr zum Thema: E-Commerce in China
Zukünftige Trends

Das größte Potential für E-Commerce Tätigkeiten finden Firmen generell in Schwellenländern vor. China zum Beispiel hat die USA bereits 2009 als größten Neuwagenmarkt der Welt überholt. Da der Aufstieg Chinas als Massenautomarkt ein junges Phänomen darstellt, sind die Märkte für Zubehör und Ersatzteile sowie die Infrastruktur an Mechanikern und Werkstätten noch relativ unterentwickelt. Dienstleistungen werden in China normalerweise von sogenannten ‚4S‘ Händlern durchgeführt, welche von OEMs kontrolliert werden, zusätzlich gibt es noch informelle Werkstätten. Es ist jedoch großes Potential für Wachstum für Werkstattletten und E-Commerce Verkäufern vorhanden. China verfügt über eine hochentwickelte Infrastruktur für E-Commerce und die Konsumenten sind deren Nutzung gewohnt. Bosch etwa ließ die gesamte Branche mit einem äußerst erfolgreichen Eintritt in den E-Commerce Markt aufhorchen und machte 9 Millionen USD Gewinn auf der chinesischen Website Tmall. Viele Firmen möchten Boschs Beispiel folgen und es gibt noch viele andere vielversprechende E-Commerce Märkte wie etwa Indien.

Zusätzlich zum wachsenden Gewicht der Schwellenländer, gewinnt der E-Commerce durch den technologischen Fortschritt im Zubehörhandel an Wichtigkeit. Vernetzte Autos sowie das Internet der Dinge haben das Potential die Art und Häufigkeit in der Ersatzteile gekauft werden, grundlegend zu verändern. Wartungsprobleme könnten bereits erkannt werden, bevor Teile versagen und so getauscht werden, wo Mechaniker und Autobesitzer normalerweise keine Notwendigkeit erkennen würden. Fahrer könnten dann automatisch mit E-Commerce Plattformen und Werkstätten vernetzt werden, um Teile nachzubestellen und einbauen zu lassen.

Autohersteller entwickeln bereits ihre eigenen Systeme um auf diese neuen Trends zu reagieren und Sammeldienstanbieter wie OpenBay und RepairPal entwickeln ebenfalls ähnliche Apps. Diese Systeme werden voraussichtlich einen positiven Einfluss auf den Zubehörhandel haben, da Besitzer sich für Aspekte der Autowartung als Öl- und Reifenwechsel interessieren könnten.

Der Aufstieg des 3D-Drucks könnte eine ebenso große Wirkung auf die Branche haben, da Teile, egal wie spezifisch, leicht verfügbar werden. Wenn sie gründlich integriert wird, hat die 3D-Drucktechnologie die Möglichkeit zu einer Quelle an billigen, schnell und lokal produzierten Teilen für Hersteller zu werden, und dadurch viele der Logistikprobleme im Onlinehandel mit Ersatzteilen zu lösen.

Aufgrund der komplexen Produkte und Lieferketten im Zubehörhandel ist der Vorstoß der Branche in die Welt des E-Commerce bisher langsamer und weniger fortgeschritten als in vielen anderen Bereichen. Da der Onlinehandel jedoch Schritt für Schritt wichtiger wird um Kunden zu erreichen und mit der Konkurrenz Schritt zu halten, passen viele Unternehmen im Zubehörhandel ihre Geschäftsmodelle an die neuen Gegebenheiten an. Dies erfordert eine Neuordnung der Lieferketten und eine delikate Handhabung der Beziehungen zu Konkurrenten und strategischen Partnern. Das Ausnutzen dieser Veränderungen im Geschäftsumfeld ist keine leichte Aufgabe, hält jedoch verlockende Möglichkeiten für die wachsende Zubehörhandel Branche bereit.

 

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Frau Sarah Buchwieser ist Projekt-Assistentin bei der Europa-Repräsentanz der Stadt Zhuhai mit Sitz in Karlsruhe. Das Büro existiert seit Mai 2014 und gibt kostenlose Auskunft über den Markt vor Ort, unterstützt bei der Suche nach Kooperationspartnern sowie der Erschließung von Absatzmärkten in Südchina.