Chinas Umweltpolitik: Zuckerbrot und Peitsche

Posted by Written by Marco Förster Reading Time: 4 minutes

Beijing hat wortwörtlich „die Nase voll“ vom Smog und will die globale Vorreiterrolle beim Umweltschutz übernehmen. Nicht nur neue Gesetze tragen dazu bei, sondern häufig auch Anreize für die Unternehmen.

Wer hat davon nicht gehört: die Luftverschmutzung in Peking, überfüllte Straßen in den unzähligen chinesischen Millionenstädten, ein Fünftel aller Böden des Landes unfruchtbar und das vielleicht größte Problem – Chinas Wasserverschmutzung.

Nicht zuletzt waren neben niedrigen Lohnkosten auch mangelnde Umweltschutzbestimmungen für manch ausländischen Investor ein entscheidender Grund, um in China zu produzieren. Bis zu einem Drittel der Emissionen des Landes kommen aus Fabriken, die Waren für den Export produzieren.

Momentan zeichnet sich allerdings eine Veränderung in die entgegengesetzte Richtung ab. Immer häufiger erfährt man in den Medien von Fabrikschließungen und Produktionseinschränkungen für Verschmutzer. Auch stößt man derweilen auf Schlagzeilen wie „Erneuerbare Energien: China übernimmt Europas Vorreiterrolle“ oder „China trägt am meisten zur globalen Grünflächenausdehnung bei“. Wie schafft China das und wie verändern sich hierdurch die Bedingungen für produzierende Unternehmen?

Erhöhte Anreize für Verschmutzer

Da China mit einem Verlangsamen des Wirtschaftswachtsums zu kämpfen hat, zieht es ein Großteil der Provinzregierungen vor, Unternehmen Anreize zum Umweltschutz zu bieten, anstatt sie wegen Umweltverschmutzung zu bestrafen. Ein Beispiel hierfür ist die Provinz Hebei, die kürzlich ein neues „Pacemaker-System“ eingeführt hat, um umweltfreundlichen Unternehmen eine Vorzugsbehandlung zu ermöglichen. Unter anderem können die sogenannten Pacemaker-Unternehmen mit einer Senkung oder gar einem Wegfall ihrer Produktionseinschränkungen rechnen.

Pacemaker sind in der Regel Unternehmen aus Industriebereichen wie Stahl, Zement, Glas, der Kokerei oder der Energieerzeugung. Der Status eines Pacemakers wird von unabhängigen externen Gutachtern verliehen, wenn diese Firmen beispielsweise innerhalb des Produktionsprozesses strengere Emissionsnormen vorschreiben, ein umweltfreundliches Lieferkettensystem einführen oder einen niedrigen Kohle- und Wasserverbrauch haben.

Darüber hinaus gibt es seit Anfang des Jahres einen Steueranreiz, um Unternehmen zu unterstützen, die sich an den Umweltzielen der Regierung orientieren. Dazu gehören qualifizierte Unternehmen aus beispielsweise der Abfallbewirtschaftung oder jene, die sich mit der Überwachung der Umweltverschmutzung befassen. Diese können von einer auf 15% verringerten Ertragssteuer (Corporate Income Tax, CIT) – Rate profitieren. Sie wird rückwirkend vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2021 umgesetzt. Die Richtlinie wurde am 13. April gemeinsam vom Finanzministerium, der staatlichen Steuerverwaltung, der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission und dem Ministerium für Ökologie und Umwelt angekündigt.

Neues Gesetz zur Bodenverschmutzung

Zum Jahresbeginn wurde in China auch ein neues Gesetz zur Bodenverschmutzung verabschiedet. Hierbei sollten sich Hersteller, Unternehmer und andere Inhaber von Landnutzungsrechten mit den Rechtsvorschriften vertraut machen, da sie jetzt möglicherweise zusätzlichen Verpflichtungen und Haftungen unterliegen.

Das Gesetz zur Prävention und Bekämpfung der Bodenverschmutzung sieht vor, dass der Verschmutzer für jedes identifizierte Bauland mit Kontaminationsrisiko eine Untersuchung durchführen muss. Dazu gehört die Analyse des Bodenzustands und Risikobewertungsberichte. Sollte der Verschmutzungsgrad dem der nationalen Normen übersteigen, ist auch ein eigener Sanierungsplan erforderlich. Zudem werden im Rahmen des Bodenverschmutzungsgesetzes weitere Bodenüberwachungsstationen eingerichtet, um Informationen zu sammeln, die dann in einer zentralen Datenbank verbreitet werden, auf die alle relevanten Umweltbehörden zugreifen können.

Chinas Luftverschmutzungsinspektionen werden in Zukunft voraussichtlich noch mehr Regionen treffen. Nach Angaben des Ministeriums für Ökologie und Umwelt sind Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Energie, Verkehr und Landnutzung am stärksten betroffen, und die Umstellung von Kohle auf Gas wird in den nächsten Monaten weiter vorangetrieben.

Im Gegensatz zum vorherigen Aktionsplan 2017 sieht der neue Aktionsplan 2020 Luftreinhalteinspektionen vor, die sich nicht nur auf die Region Beijing-Tianjin-Hebei beschränken, sondern auch Shanghai sowie Städte in den Provinzen Jiangsu, Zhejiang, Anhui, Shanxi und Shaanxi umfassen. Zur Durchsetzung dieser Ausweitung entsendet die Zentralregierung zweihundert Teams, die sich aus rund 18.000 Inspektoren und Hilfspersonal zusammensetzen und die Luftreinhalteinspektionen vollführen werden. Dies entspricht einer Verdreifachung der Belegschaft gegenüber dem Vorjahr.

Zwangsumsiedlungen und Schließungen

Fabriken in städtischen Gebieten mit einem hohen Verschmutzungsgrad und insbesondere solche, in denen Stahl hergestellt oder Kohle verwendet wird, sind weiterhin dem Risiko einer Zwangsverlagerung oder gar einer Schließung ausgesetzt. Im Juni letzten Jahres kündigte der chinesische Staatsrat an, neue Stahl-, Koks- und Primäraluminiumkapazitäten in den Regionen Beijing-Tianjin-Hebei und dem Yangtse-Flussdelta zu verbieten. In der Provinz Hebei wird die Stahlproduktion im nächsten Jahr weiter auf 200 Mio t begrenzt. Beijing und Guangdong waren an dieser Front besonders aktiv und es wird erwartet, dass weitere Städte folgen, wenn die Frist für 2020 näher rückt.

Beijing gilt weithin als führend bei der Bekämpfung der industriellen Umweltverschmutzung und es gibt wenig Anzeichen dafür, dass eine andere chinesische Großstadt Beijing dabei überholen wird. Nachdem bereits Registrierungsanträge von 19.500 Unternehmen abgelehnt und weitere 2.465 Hersteller geschlossen oder umgesiedelt wurden, wird erwartet, dass die Hauptstadt bis 2020 weitere 1.000 produzierende Unternehmen schließen wird. Diese beschleunigten Schließungen und Umzüge bedeuten den Rückzug Beijings aus dem traditionellen verarbeitenden Gewerbe mit dem Ziel, den Smog zu verringern und den Nachbarregionen mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.

In ähnlicher Weise hat Guangdong Leitlinienentwürfe herausgegeben, die ein Verbot neuer industrieller Kapazitäten für eine Reihe von Unternehmen im Perlflussdelta fordern. Zu den Zielbranchen gehören Kohlekraftwerke, Stahl, Erdöl, Petrochemikalien, Glas, Keramik und das Buntmetallschmelzen.

Verpflichtung zu sauberen Energiealternativen

Die Erzeugung von alternativer und sauberer Energie hat nach einer Reihe neuer Richtlinien, die im August 2017 angekündigt wurden, neue Aufmerksamkeit erhalten. Sie zielen darauf ab, die Erdgasversorgung zu verbessern und die Verwendung von Ethanol als erneuerbaren Biokraftstoff zu fördern.

Chinas Führung sieht zudem die Initiative zur Umstellung auf sauberere Brennstoffe beim Heizen in den Wintermonaten als Priorität. Diese besteht bereits seit sechs Jahren und ist eine Hauptmaßnahme bei der Smogbekämpfung. Im Rahmen des neuen Aktionsplans 2020 sollen Erdgas und Strom als Ersatz für Kohle eingesetzt werden. Allerdings stieß das Programm aufgrund der weit verbreiteten Erdgasknappheit auf Schwierigkeiten. Trotz dessen schafften es im Vorjahr 4,8 Millionen Haushalte, gegenüber 4 Millionen im Jahr 2017, von Kohle auf Erdgas und Strom umzusteigen.

Erste CO2-Transaktion im nächsten Jahr

Während des Kampfes gegen die Umweltverschmutzung sollten Unternehmen sicherstellen, dass sie die neuesten Gesetze und Richtlinien einhalten und dass ihre Geschäftsstrategie mit den Zielen des Aktionsplans 2020 und des 13. Fünfjahresplans in Einklang steht. Fünf Jahre nachdem Ministerpräsident Li Keqiang Chinas Krieg gegen die Umweltverschmutzung zum ersten Mal erklärt hatte, wurden die Bemühungen der Volksrepublik um die Bekämpfung der Umweltverschmutzung immer komplexer, umfassender und strategischer. Als nächstes Highlight soll im kommenden Jahr die erste CO2-Transaktion in China mit dem lang erwarteten nationalen Emissionshandelssystem getätigt werden.

Die Kompromisslosigkeit der Politik zeigt Wirkung, denn die Beijinger Bevölkerung hatte wortwörtlich „die Nase voll“ vom Smog. Die Luft wird deutlich sauberer und mit klaren blauen Himmeln an Beijinger Wintertagen beweist die Hauptstadt, dass sie sich auch von einer schöneren Seite zeigen kann.

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