China am Rand der Technologie: schnelle Veränderungen und die Folgen (1/2)

Posted by Reading Time: 4 minutes

Von Marco Civico

Vorgestern erreignete sich ein Unfall in der Shanghaier U-Bahn. Ein Zug fuhr auf einen stehenden Zug auf und mehrere Menschen erlitten dabei Verletzungen. Vor gut zwei Monaten, am 23. Juli, erreignete sich in der Nähe der Stadt Wenzhou in der Provinz Zhejiang ein weitaus größeres Zugunglück bei dem viele Menschen starben und mehrere hundert Verletzungen davon tragen mussten. Das brachte das Fass zum Überlaufen, denn in der Folgezeit drückten viele Chinesen, unter anderem in den sozialen Netzwerken des Landes, den Wunsch nach einem gemäßigteren Tempo bei den Veränderungen, denen sich das Land unterzieht, aus.

29. September – China ist ein Land der Superlative und zur Zeit brüstet sich die Führung des Landes damit, über eine der weltweit längsten Überseebrücken zu verfügen, sowie die Fähigkeit zu besitzen, sehr leistungsstarke Rechner herstellen zu können. Daneben hat das Land die größte Menge an Dollarreserven in der Welt bei sich gehortet. Außerdem befindet sich das ausgedehnteste Eisenbahnnetz der Welt ebenfalls im Land. Es ist viermal größer als das von Japan, das zweitgrößte. Die Ambitionen der Chinesen in vielen Bereichen weltweit führend zu werden, lassen sich aber nicht nur durch diese Meilensteine in der Entwicklung nachweisen.

Der Wille dazu zeigt sich auch in einer von der Regierung und dem Eisenbahnministerium (MOR) herausgegebenen Direktive für die sechs „Speed-up“ Kampagnen, welche die Modernisierung und den Umbau des Eisenbahnnetzes im Land in ein Hochgeschwindigkeitsnetz vorantreiben sollten. Diese Maßnahmen wurden von der Regierung zwischen den Jahren 1997 und 2007 finanziert. Am Ende will das Land innerhalb des 12. Fünfjahresplanes (12. FYP) die beste und technsich am besten entwickelte Hochgeschwindigkeitsstrecke der Welt vorzeigen können. Der Kern der Strategie der Regierung und des MOR zur Erreichung dieses Ziels besteht in der Einfuhr von Technologien und in der Entwicklung eines hochentwickelten Bildungssystems.

Hochgeschwindigkeitszüge sind zweifellos eines der aktuellsten Themen bezüglich der Entwicklung Chinas. Dieses Thema erfährt aber auf Grund der hohen Unzufriedenheit der chinesischen Bürger auf eine andere Weise internationale Resonanz als von der Regierung erwünscht. Am Samstag, dem 23. Juli diesen Jahres, kostete ein Zugunglück das Leben von knapp 40 Menschen und etwa 200 wurden verletzt. Die Unglücksursache war der Ausfall eines Signals. Der Aufprall zweier Züge brachte vier Wagen zum Entgleisen. Eine öffentliche Entschuldigung von Wang Yongping, Sprecher des MOR, folgte. Sie war aber nicht ausreichend, um die seit langer Zeit rumorende Unzufriedenheit der chinesischen Bürger zu beruhigen. Unzählige Kommentare auf Weibo – der chinesischen Version von Twitter – in der Folgezeit bewiesen, dass die Stimmung aufgeladen war. Die Bevölkerung war wutig und enttäuscht. Chinesische Bürger, die die Entwicklung der Eisenbahn durch ihre Steuern finanzierten, waren aufgrund von zwei Gründen unzufrieden: Unfähigkeit und Korruption von Seiten der Verantwortlichen.

Was die Unfähigkeit betrifft, bezeugen enorme Verluste einen verschwenderischen Umgang mit Steuern. Wie die Mediengruppe Caixin aus Peking berichtete, wurden alleine im ersten Quartal 2011, 3,8 Milliarden CNY Verlust gemacht. Der Gesamtverlust für das Jahr 2010 wird auf etwa 20 Milliarden CNY geschätzt. Während der Bauphase sind weitere nicht eingeplante Ausgabenposten in bestimmten Bereichen entstanden. Trotz dieser Verluste und den uneingeplanten Ausgabeposten ist der gewünschte Zustand für die Eisenbahn und deren Streckennetz noch nicht erreicht. Aus mehreren Gründen (unter anderem wegen einer besseren Energieeffizienz), musste die Höchstgeschwindigkeit der Züge auf 300 km/h gedrosselt werden.

Noch schwerwiegender wiegt für die Chinesen die Tatsache, dass die Korruption ein immer noch brennendes Problem in vielen Industriezweigen ist. Selbst Hu Jintao, der Präsident Chinas und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPC), hat vor kurzem erklärt, dass Korruption ein äußerst heikles Problem ist, welches unter gar keinen Umständen unterschätzt werden darf. Das Image der Partei kann dadurch schwer beschädigt werden. Letztendlich könnte die Regierung dadurch die Unterstützung und das Vertrauen der Bürger mehr und mehr verlieren.

Im Februar diesen Jahres wurde Liu Zhijun von seinem Amt als Leiter des MOR enthoben, wegen Korruption. Obwohl bis jetzt nur 3 Millionen CNY nachgewiesen werden konnten, wird vermutet, dass Liu etwa eine Milliarde CNY als Schmiergeld kassiert hat (vielleicht brauchte er das Geld um seine kolpotierten 18 Liebschaften zu unterhalten). Zudem wurde mit Zhang Shuguang ein weiterer hochrangiger Funktionär des MOR von seinem Amt enthoben. The Economist vermutet hier ebenfalls Korruption als Ursache für die Enthebung.

Selbstverständlich ist die Problematik der Korruption bei der Beseitigung von Sicherheitsbedenken nicht förderlich. Viele Chinesen haben oft verlauten lassen, dass sie der Eisenbahninfrastruktur nicht trauen. Außerdem sind viele Menschen der Meinung, dass eine grassierende Korruption die Sicherheit der Bürger ernsthaft gefährdet. Dieses Phänomen ist weit verbreitet, man kann es auch bei anderen chinesischen Produkten beobachten. In der Vergangenheit gab es oft prominente Fälle, wo das Vertrauen der chinesischen Verbraucher wegen einer schnellen Mark missbraucht wurde. Auch deshalb ist die Nachfrage nach ausländischen Produkten hoch, zum Beispiel bei der Babynahrung.

Selbstverständlich sind die Probleme der Unfähigkeit und Korruption wichtige Anliegen für die Regierung, die gegen sie verstärkt vorgehen möchte. Vor kurzem hat sie deshalb die Absicht erklärt, die Geschwindigkeit von Investitionen in einige Schlüsselindustrien (einschließlich der Hochgeschwindigkeitszüge) zu drosseln. Dies könnte ein subtiles Startzeichen für einen bedeutenden Umschwung von Seiten der chinesischen Regierung darstellen.

Man darf aber nicht vergessen, dass die chinesische Regierung immer ein wichtiger Investor bei der Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen war. Tatsächlich sieht der 12. FYP große Investitionen in die Eisenbahn und den Einkauf von neuen Zügen vor. Vier neue Nord-Süd-Verbindungen (Beijing-Shanghai, Beijing-Wuhan-Guangzhou-Shenzhen, Beijing-Shenyang-Harbin und Hangzhou-Ningbo-Fuzhou-Shenzhen), sowie vier neue Ost-West-Verbindungen (Xuzhou-Zhengzhou-Lanzhou, Hangzhou-Nanchang-Changsha, Qingdao-Shijiazhuang-Taiyuan und Nanjing-Wuhan-Chongqing-Chengdu) wurden in das Projekt aufgenommen. Außerdem unterstützt die Regierung durch ein ansehnliches Konjunkturpaket Industrien, die zur Eisenbahnindustrie in einer vertikalen Beziehung stehen. Das heißt Industrien, die in der gleichen Wertschöpfungskette stehen und deren Produktion auf unterschiedlichen Stufen stattfindet, wie zum Beispiel Maschinenbau-, Hütten-, Kunststoffindustrie, Informationstechnologie, Energieproduktion und Bauwesen. Dieses große Engagement ergibt sich aus der Erkenntnis, dass solide Infrastrukturen maßgebend sind für ein gesundes und gleichmäßiges Wirtschaftswachstum. Ebenfalls stellen sie ein ausgezeichnetes Mittel dar, um dadurch internationale Anerkennung zu gewinnen. Man sollte nicht vergessen, dass China eine große Landfläche hat und ein effizientes Eisenbahnnetz braucht. Diese Industrie erhält auch Unterstützung von weiteren Geldquellen, wie zum Beispiel von privaten Investoren. Diese Gesamtinvestitionen belaufen sich in den letzten fünf Jahren auf cirka 122 Milliarden CNY. Banken, wie die China Development Bank, die unter Zuständigkeit des Staatsrates stehen, bieten dafür eine Vorzugsbehandlung und besondere Zinssätze an.

Hier können Sie den 2. Teil des Artikels lesen.

Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in Asien kontaktieren Sie bitte:

Fabian Knopf, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
Fabian.Knopf@dezshira.com

Silke Neugebohrn, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
Silke.Neugebohrn@dezshira.com

Für weitere Information oder um mit Dezan Shira & Associates in Kontakt zu treten, senden bitte Sie eine Email an germandesk@dezshira.com oder besuchen Sie uns auf www.dezshira.com/de, wo Sie unsere Unternehmensbroschüre herunterladen können.

Bleiben Sie auf dem Laufenden über die aktuellsten Wirtschafts- und Investitionstrends in Asien durch unseren Newsletter. Jetzt abonnieren!