Die Auswirkungen des neuen chinesischen Sozialversicherungsgesetzes (SIL) auf ausländische Arbeitnehmer/Arbeitgeber

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03. August – Das am 01. Juli diesen Jahres in Kraft getretene neue chinesische Sozialversicherungsgesetz (SIL) zog vor allem wegen Artikel 97 die Aufmerksamkeit der in China arbeitenden und lebenden Ausländer auf sich. Die Regelung aus diesem Artikel wurde oft auf folgende Weise übersetzt:

„Im Einklang mit diesem Gesetz, können in China lebende Expats am Sozialversicherungssystem teilnehmen“.

Chinesische Behörden veröffentlichten ein Schreiben, dass die Frage mit „ja“ beantwortet, ob ausländische Arbeitnehmer am Sozialsystem des Landes teilnehmen müssen. Die Veröffentlichung bezog allerdings keine Stellung zu der Frage, nach welchen Kriterien ausländische Personen in das System eingeschlossen werden und welche Auswirkung das auf deren Gehalt und Sozialbeiträge haben könnte. Adam Livermore, Regional Manager von Dezan Shira & Associates sprach auf einer Veranstaltung, die vor kurzem zu diesem Thema in Peking stattfand und von Servcorp organisiert wurde. 

Einführung in das chinesische Sozialsystem

Das chinesische Sozialversicherungssystem besteht aus Beiträgen zur Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Mutterschaftsschutz und Betriebsunfallversicherung. Die folgende Tabelle will das Spektrum der landesweiten Beiträgssätze gemäß des neuen SIL aufzeigen und soll in China arbeitenden Ausländern (sowie deren Arbeitgeber) dabei helfen die eventuelle Höhe der zu leistenden Beiträge zu bestimmen, nachdem die Teilnahme am Sozialsystem verpflichtend wurde. Da sich diese Sätze regional stark unterscheiden können, sollen Ausländer die Beitragssätze der Stadt in Erfahrung bringen, in der sie wohnen.

Spektrum der Beitragsätze (in Prozent des monatlichen Gehaltes) gemäß des neuen SIL

  Rentenbeiträge Kranken-versicherung Arbeitslosen-versicherung Mutterschafts-schutz Betriebs-unfallver-sicherung
Arbeitgeber 12-22 5-12 0,2-2 0,5- 1 0,5-2
Arbeitnehmer 8 2 Weniger als 1 0 0

 

Wenn eine ausländische Einzelperson allerdings mehr als den dreifachen Wert des Mindestlohns der jeweiligen Stadt als Gehalt bezieht, wird der Betrag, den die Einzelperson und sein Arbeitnehmer beitragen müssen, folgendermaßen kalkuliert:

  • Beitragssatz des Arbeitgebers/Arbeitnehmers zu den vorgeschriebenen Leistungen =  drei x durchschnittlicher Mindestlohn der Stadt x  geltendem gesetzlichen Satz

Der durchschnittliche Pekinger Mindestlohn liegt zum Beispiel bei RMB 4.201 und darum ist das höchste Gehalt nach welchem der Arbeitnehmer/Arbeitgeber den Mindestlohn berechnen muss, RMB 12.603. Wie vorhin angemerkt variiert diese Zahl regional.  

Am 10. Juni hat die Zentralregierung wegen der Komplexität der Verwaltung ausländischer Arbeitnehmer die „The Interim Measures for the Participation in Social Insurance of Foreigners Employed in China (Entwurf für Kommentare)“ veröffentlicht. Dadurch sollen alle Fragen geklärt werden, die im Zusammenhang mit der Rückerstattung der Rentenbeiträge und der Einhaltung der internationalen Abkommen zur Sozialversicherung stehen. Die Maßnahmen schreiben folgendes explizit vor:

  • Expats müssen sich am chinesischen Sozialversicherungssystem beteiligen und gemäß den entsprechenden Regeln Beiträge zur Sozialversicherung leisten.
  • Wenn ein Ausländer vor seinem Eintritt in das vereinbarte Rentenalter China verlässt, werden seine Beiträge zurückbehalten. Wenn ein Ausländer nach dem Verlassen des Landes nach China zurückkehrt, um dort wieder Arbeit aufzunehmen, kann die Periode zur Beitragszahlung kumulativ berechnet werden.
  • Die zuständige Behörde für Sozialversicherung kann auf einen schriftlichen Antrag des ausländischen Arbeitnehmers hin, die Geldmenge pauschal bezahlen und das Verhältnis mit dem Rentenbeitragszahler auflösen.
  • Nach dem Tod eines ausländischen Arbeitnehmers kann die Geldmenge geerbt werden, die auf dem Konto der Rentenbeiträge verblieben ist.
  • Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer aus einem Land kommt, das einen bilateralen oder multilateralen Vertrag mit China unterzeichnet hat, wird seine Beteiligung an der Sozialversicherung in Übereinstimmung mit diesem Vertrag gehandhabt werden.

Trotzdem hob Livermore während seiner Präsentation hervor, dass weiterhin Verwirrung unter den ausländischen Arbeitnehmern herrscht und weitere Erläuterungen der Regierung benötigt würden.

Erstens sei nämlich nicht genau definiert, wer genau in dieses System aufgenommen wird. Livermore glaubt, dass wahrscheinlich die ausländischen Arbeitnehmer chinesischer Unternehmen (einschließlich den Arbeitnehmern von Repräsentanzbüros) aufgenommen werden, die mit einer Arbeitserlaubnis ausgestattet sind. Außerdem müssen sich diejenigen für ausländische Unternehmen arbeitenden Ausländer möglicherweise am System beteiligen, die in China mehr als 183 Tage innerhalb eines Jahres verbringen. Bürger aus Ländern mit gültigen bilateralen Verträgen (derzeit Deutschland und Südkorea) können teilweise befreit werden, wenn sie eine Beitragszahlung in ihrer Heimat nachweisen können.

Zweitens ist weiterhin ungeklärt, wann eine Beteiligung der Ausländer im System implementiert wird und ob sich diese Implementierung von Stadt zu Stadt unterscheiden wird. Da das neue SIL schon seit dem 01. Juli in Kraft ist, besteht die Möglichkeit, dass Beiträge von Ausländern rückwirkend bis zum Juli 2011 fällig werden. Fachleute vermuten aber, dass die tatsächliche Implementierung erst ab 2012 wirksam sein wird, da rückwirkende Beiträge die Verwaltungsaufgaben der Behörden erschweren könnten.

Drittens fragen sich die Experten, ob Ausländer in alle fünf Töpfe der Sozialversicherung Beiträge zu entrichten haben. Nach Meinung von Livermore ist es wahrscheinlich, dass Ausländer zumindest ihre Beiträge in den Rententopf und Krankenversicherung einzugeben haben. Diese zwei Töpfe sind die wichtigsten Bestandteile des chinesischen Sozialversicherungssystems.

Anhand dieser Lage, stellt sich für die in China arbeitenden Ausländer die Frage, wie sie nach Verlassen des Landes in den Genuss ihrer geleisteten Beiträge kommen können. Es wurde zum Beispiel nicht geklärt, ob bei Verlassen des Landes die geleisteten Rentenbeiträge als Pauschale ausgehändigt werden oder, welchen Anteil davon Ausländer letztendlich erhalten würden. Außerdem ist nicht klar, ob ein Ausländer dazu berechtigt ist eine Rente einzufordern, wenn er seit 15 Jahren in China gearbeitet hat. Es gibt keine eindeutigen Vorlagen, die belegen wie eine Einzelperson geleistete Beiträge einfordern kann.

Da die Qualität der Gesundheitsversorgung für viele in China lebende Ausländer ein sehr wichtiger Aspekt ist, wird dort ebenfalls eine Klärung notwendig. Künftige Rechtsvorschriften sollen erläutern, ob die Beiträge von Ausländern zur Krankenversicherung zumindest einen Teil der Kosten abdecken, die durch die Nutzung internationaler Kliniken entstehen.

Weil Ausländer sich ebenfalls an der Betriebsunfallversicherung, Mutterschaftsschutz und Arbeitslosenversicherung beteiligen sollen, werden hier weitere Klärungen benötigt, wie die diese Beiträge gerechtfertigt sollen. Werden Ausländer und Chinesen, zum Beispiel, beim Mutterschutz gleich behandelt, wenn Ausländer gegenwärtig von der chinesischen Einkindpolitik ausgeschlossen sind? Wie können arbeitslose Ausländer von der Arbeitslosenversicherung profitieren, wenn sie im Falle der Arbeitslosigkeit nicht legal im Land verbleiben dürfen?

Das Schreiben „Interim Measures” ist bisher nur ein Entwurf und lässt offen, ob und wie chinesische Behörden die einzelnen Probleme zu lösen gedenken. Jedoch ist es aus Sicht ausländischer Arbeitnehmer wichtig, dass die neuen Regeln fair und transparent genug sind, damit vom Wohlfahrtsystem proportional zu den geleisteten Beiträgen profitiert werden kann.

Erfreuliche Nachrichten

Viele ausländische Arbeitnehmer in China ärgern sich darüber, dass sie aufgrund ihrer Zahlungen mehr Geld an das soziale Wohlfahrtsystem verlieren. Sie sollten sich aber nicht nur die negativen Aspekte des Sozialversischerungsgesetzes vor Augen halten, denn es gibt auch gute Nachrichten.

Erstens können nämlich die Rentenbeiträge – der größte Teil der persönlichen Beiträge – steuerfrei entrichtet werden, so müssen Ausländer letztendlich etwas weniger Einkommensteuer (IIT) zahlen.

Zweitens wird es nach Veröffentlichung einer klaren Regelung mehr Möglichkeiten geben bilaterale Verträge abzuschließen. Das wiederum erlaubt es mehr Bürgern aus anderen Ländern von einer verpflichtenden Zahlung in das soziale System befreit zu sein.

Drittens sind Obergrenzen für Beiträge in China im Vergleich zu anderen Ländern noch relativ niedrig.

Zudem wird gehofft, dass die Beiträge der Ausländer in das chinesische Wohlfahrtsystem langfristig in ein staatliches Sicherungssystem miteinfließen – teilweise in ein Krankenversicherungssystem – um so effektiver zu funktionieren. So würde ein robustes und transparentes System, sowohl für Chinesen als auch Ausländer geschaffen, dass mehr Vorteile für beide Seiten bietet.

Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in Asien kontaktieren Sie bitte:

Fabian Knopf, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
Fabian.Knopf@dezshira.com

Silke Neugebohrn, Sr. Associate, Co-Head of German Desk, Dezan Shira & Associates
Silke.Neugebohrn@dezshira.com

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