Teil 2 der Serie: Mitarbeiterentsendung ins Ausland mit Hinweisen zu China

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Dieser Artikel erschien zuerst in der Fachzeitschrift: “Die Steuerberatung”, Heft 9/2013, S. 342 ff. 

 

Nov. 25 – Lohnsteuer/Einkommensteuer

1. Steuerpflicht des entsandten Arbeitnehmers in Deutschland?

Fraglich ist, ob der aus Deutschland ins Ausland entsandte Mitarbeiter in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig bleibt oder zumindest einer beschränkten Steuerpflicht inländischer Quellen gem. § 1 Abs. 4 EStG unterliegt. Gemäß § 1 Abs. 1 EStG liegt unbeschränkte Steuerpflicht vor, wenn er einen Wohnsitz gem. § 8 AO oder einen gewöhnlichen Aufenthalt gem. § 9 AO in Deutschland hat. Soweit er die Wohnung in Deutschland auch bei Versetzung beibehält, ist § 8 AO zu bejahen. Unterhält der Stpfl. in beiden Ländern eine Wohnung oder einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist nach den Tie-Breaker-Rules des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA zu fragen, in welchem Land sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Stpfl. befindet.

Soweit ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland bejaht werden kann, liegt unbeschränkte Steuerpflicht des Arbeitnehmers vor. Es gilt gem. § 2 Abs. 1 EStG das Welteinkommensprinzip.

Soweit diese unbeschränkte Steuerpflicht mangels Wohnung oder gewöhnlichen Aufenthalts negiert werden kann, bleibt allenfalls zu prüfen, ob dieser entsandte Mitarbeiter einer beschränkten Steuerpflicht hinsichtlich seiner Inlandseinkünfte gem. § 49 EStG einschl. §§ 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a EStG unterliegt.

 

2. Ändert sich das Besteuerungsrecht auf Grund der Entsendung ins Ausland?

Die entsandten Mitarbeiter sind im Ausland für die dort erbrachte Arbeitsleistung regelmäßig steuerpflichtig. Staaten knüpfen sowohl an die Ansässigkeit (Welteinkommensprinzip), als auch den Arbeitsort (Quellenprinzip) oder den Ort der Verwertung der Arbeitsleistung (Territorialprinzip) an. Im Entsendungsfall werden daher beide Staaten Anknüpfungspunkte der Besteuerung finden. Der Arbeitslohn wird daher doppelt besteuert.

Nationale und bilaterale Methoden zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung können und sollen Abhilfe schaffen.

 

 a) DBA-Sachverhalte

Soweit ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beteiligten Staaten vorliegt, mildern oder vermeiden die dortigen Regelungen die doppelte Besteuerung. Dieses erfolgt in der Form, dass das konkrete Doppelbesteuerungsabkommen regelt, welche nationale Steuerpflicht zur Anwendung gelangt. Es wird in der Terminologie unterschieden zwischen Quellenstaat und Ansässigkeitsstaat.

Bei der Zuweisung derBesteuerungsrechte in den Art. 6 bis 22 OECD-MA wird folgende Terminologie verwendet:

„… können nur in … besteuert werden …“.

Diese Formulierung bedeutet, dass eine Besteuerung nur in dem angesprochenen Staat erfolgen darf, während im anderen Staat eine Freistellung vorzunehmen ist.

Die Formulierung: „… können in … besteuert werden …“

bezieht sich immer auf den Quellenstaat. Sie besagt, dass im Quellenstaat das Besteuerungsrecht auch nach Abkommensrecht bestehen bleibt. Eine Aussage darüber, ob in diesen Fällen im Wohnsitzstaat eine Anrechnung oder Freistellung zu erfolgen hat, ist damit nicht verbunden. Dies ergibt sich ausschließlich aus den Methodenartikeln Art. 23A OECD-MA (Freistellung) bzw. Art. 23B OECD-MA (Anrechnung).

Bei der Mitarbeiterentsendung bieten die DBA verschiedene Artikel an, denen das Arbeitseinkommen zugerechnet werden könnte. Im Regelfall greift Art. 15 OECD-MA. Dieser ist jedoch subsidiär zu Art. 16, 18 und 19 OECD-MA. Manche DBA sehen Sonderregelungen für leitende Angestellte gem. Art. 16 OECD-MA vor, Arbeitnehmer im internationalen See- und Luftverkehr haben gem. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA, Lastkraftfahrer, Grenzgänger, Künstler und Sportler gem. Art. 17 OECD-MA, Studenten, Lehrlinge, Praktikanten gem. Art. 20 OECD-MA, Gastlehrer, Professoren und Wissenschaftler gem. Art. 20 OECD-MA oder auch Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen gem. Art. 28 OECD-MA spezielle Regelungen. Hinzuweisen ist zudem auf bilaterale Grenzgängerregelungen, diese sind spezieller als Art. 15 OECD-MA.

Für die Mehrzahl der praktischen Fälle greift Art. 15 OECD-MA ein. Dessen Abs. 1 erfasst zwei verschiedene Konstellationen. Im ersten Fall fallen entweder abkommensrechtlicher Ansässigkeits- und Tätigkeitsort zusammen oder die Tätigkeit wird in einem Drittstaat ausgeübt. Fallen Ansässigkeits- und Tätigkeitsort zusammen, so gilt die Regel, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind („können nur“). Mit dieser Bestimmung werden eventuell anderweitige bestehende beschränkte Steuerpflichten im anderen Vertragsstaat (Beispiel: Verwertungsrechte) überlagert, diese sind dort freizustellen. Die zweite Konstellation trifft den Fall, dass der abkommensrechtliche Wohnsitz und der Arbeitsort auseinanderfallen. Dann können die Einkünfte im Staat des Arbeitsorts als Quellenstaat besteuert werden (Arbeitsortprinzip).

Dies gilt allerdings nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA dann nicht, wenn die dort genannten drei kumulativen Voraussetzungen das Besteuerungsrecht weiterhin dem Ansässigkeitsstaat zuweisen. Daneben ist dann kein Besteuerungsrechtdes Tätigkeitsstaates („können nur“) zugelassen.

Diese Regelungen aus den jeweiligen DBA sind nicht abschließend. Abkommensrechtliche Rückfallklauseln im Falle der Nichtbesteuerung können ebenso wie nationale Regelungen, wie beispielsweise die Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 EStG, zu prüfen sein.

 

aa) Art. 15 Abs. 1 OECD-MA

Anwendbar ist Art. 15 OECD-MA nach deutschem innerstaatlichen Verständnis nur für natürliche Personen, die in Deutschland ansässig sind. Unter den Begriff der Vergütung, der selbst Oberbegriff für Gehälter und Löhne ist, fallen die laufenden Gehaltszahlungen sowie Sondervergütungen wie Überstundenvergütung, Auslandseinsatzprämien etc. Maßgeblich für die Zuteilung von Vergütungen zur Auslands- oder zur Inlandstätigkeit ist allein der wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang; unerheblich sind Zuflusszeitpunkt, Ort der Zahlung und Zahlungsweg. Der Oberbegriff Vergütung ist weit auszulegen und kommt § 19 EStG sehr nahe, wobei jedoch Vorteile aus früheren Dienstleistungen abkommensrechtlich Art. 18 OECD-MA unterfallen. Vergütungen, die übergreifend sowohl der Auslands- als auch der Inlandstätigkeit zuzuordnen sind (z.B. Weihnachts-, Urlaubsgeld, Jahresprämien, Jubiläumszuwendungen), sind bei der Zuordnung anteilig zu erfassen. Ein Sonderfall sind Abfindungszahlungen. Nach deutschem Verständnis sind diese i.d.R. dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen.

Probleme ergeben sich immer dann, wenn der laufende Lohn nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Die Aufteilung ist dann im Verhältnis der vereinbarten Arbeitstage im Ausland zu den übrigen Arbeitstagen vorzunehmen, wobei mit vereinbarten Arbeitstagen die Kalendertage pro Jahr abzüglich arbeitsfreier Tage (also Urlaub, Feier-, Sonn-, ggf. Samstage, Krankheitstage) gemeint sind. Den vereinbarten Arbeitstagen ist die für diese Zeit vereinbarte Vergütung (einschließlich Zusatzvergütungen) gegenüberzustellen.

Die Unselbständigkeit der Arbeit wird, soweit sich eine Abgrenzung nicht schon aus den übrigen Artikeln des DBA ergibt, durch das innerstaatliche Steuerrecht des Anwenderstaates definiert; dieses ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der Ort der Arbeitsausübung bestimmt sich gemäß Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nach innerstaatlichem Recht und befindet sich grundsätzlich dort, wo sich der Arbeitnehmer bei Ausführung seiner unselbständigen Arbeit tatsächlich körperlich aufhält. Es kommt nicht darauf an, von wo gezahlt wird, wer zahlt, wo der Arbeitgeber ansässig ist, wo die Tätigkeit verwertet wird oder ob der Einsatz im Ausland notwendig war.

 

bb) Ausnahme-Regelung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA

Als Ausnahme von Art. 15 Abs. 1 OECD-MA sieht Art. 15 Abs. 2 OECD-MA vor, dass dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das ausschließliche Besteuerungsrecht für eine nicht in diesem Staat ausgeübte nicht-selbständige Arbeit zusteht, wenn insgesamt drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

Wenn sich der Arbeitnehmer insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines im jeweiligen Abkommen näher beschriebenen Zeitraums im Tätigkeitsstaat aufgehalten oder die Tätigkeit dort ausgeübt hat, und

der Arbeitgeber, der die Vergütung zahlt, nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und

der Arbeitslohn nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat, getragen wurde.

Hinzuweisen ist darauf, dass die 183 Tage sich auf ein Steuerjahr, ein Kalenderjahr oder auch auf einen anderen Zwölf-Monats-Zeitraum beziehen können. Besonders die letzte Version ist rechenintensiv, denn es wird jeder beliebige Zwölf-Monats-Zeitraum in Betracht gezogen (rollierende Betrachtung). Hinsichtlich des Merkmals des Aufenthalts („aufhält“) kommt es allein auf die körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat an. Hier werden Wochenenden, Urlaubs- und Reisetage hinzugezählt. Auch der Anreise- und Abreisetag sollen hinzugerechnet werden.

Bei der zweiten Voraussetzung, Zahlung von einem oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber, kann unterschieden werden zwischen dem zivilrechtlichen Arbeitgeber, dem im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung verbundenen Unternehmen und dem fremden dritten Arbeitgeber. Arbeitgeber kann nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber, sondern auch eine andere Person sein, die die Vergütung für die ihr geleistete nichtselbständige Tätigkeit wirtschaftlich (wirtschaftlicher Arbeitgeberbegriff) trägt. Soweit der Arbeitnehmer seine Leistungen zur Erfüllung einer Verpflichtung des entsendenden Arbeitgebers erbringt, bleibt dieser der Arbeitgeber i.S.d. DBA-Regelung. Dagegen wird das aufnehmende Unternehmen Arbeitgeber i.S.d. DBA, wenn der Arbeitnehmer in dieses Unternehmen eingebunden ist und dieses Unternehmen seinen Lohn wirtschaftlich trägt. Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass bei einer Entsendung von nicht mehr als drei Monaten das aufnehmende Unternehmen nicht Arbeitgeber geworden ist.

Auch beide Unternehmen können Arbeitgeber i.S.d. DBA sein. Möglich ist weiterhin eine Innengesellschaft, in der sich beide zu einer Poolgesellschaft verbinden; hier bleibt es bei dem zivilrechtlichen Arbeitgeber. In den Fällen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung ist wirtschaftlicher Arbeitgeber i.S.d. Abkommensrechts grundsätzlich der Entleiher, nur in Einzelfällen der Verleiher.

Hinsichtlich der dritten Voraussetzung, der Nicht-Zahlung des Arbeitslohns zu Lasten einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat, kommt es auf die konkrete Definition der Betriebsstätte bzw. der festen Einrichtung im betreffenden Abkommen an.

 

cc) Vermeidung der Doppelbesteuerung

Deutschland vermeidet die Doppelbesteuerung bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit im Regelfall durch die Anwendung der Freistellungsmethode. Bei der Freistellung werden die im Ausland erzielten Einkünfte in Deutschland von der steuerlichen Bemessungsgrundlage ausgenommen, allerdings für die Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt (Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG).

Bei Gewährung von Freistellung wird dies bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt, wobei das einschlägige DBA eine Antragspflicht vorschreiben kann. Ist die Anrechnungsmethode vorgesehen, so wird dies erst im Rahmen der Veranlagung berücksichtigt, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Für Veranlagungszeiträume ab 2011 ist neben der Anlage N auch die Anlage N-AUS bei der Einkommensteuererklärung zu verwenden, und zwar für jeden ausländischen Staat, in dem Einkünfte erzielt wurden, eine eigene.

 

dd) Abkommensrechtliche Rückfallklausel

Selten kommt es vor, dass durch eine Subject-to-tax-Klausel innerhalb eines DBA das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats für Arbeit aus unselbständiger Tätigkeit wieder auflebt, soweit der Tätigkeitsstaat sein Besteuerungsrecht nicht wahrnimmt.

 
 

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