Update: Produkthaftung in der Volksrepublik China

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von Katharina Urbauer

07. Juni –  Mit der Verabschiedung des neuen Produkthaftungsgesetzes (tort liability law) durch den chinesischen Staatsrat im Dezember vergangenen Jahres geht die Chinesische Regierung einen weiteren Schritt in Richtung Verbraucherschutz. Das Gesetz tritt mit Wirkung zum ersten Juli 2010 in Kraft und ergänzt die im Jahr 2000 geschaffene Grundlagengesetzgebung. Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen, Entwicklungen in der Praxis und den Status Quo der Produkthaftung in China.

Gesetzliche Grundlagen

Die Gesetzeslage und deren praktische Anwendung, sowie die Handhabung von Schadensfällen können sich in der Unternehmenspraxis, besonders auch bei Beteiligung ausländischer Firmen, oftmals stark unterscheiden. Um nach Produkthaftungsgesetz haftbar gemacht werden zu können muss ein Produkt vom Hersteller auf dem freien Markt vertrieben werden. Sogenannte Freundschaftsdienste oder Einzelverkäufe an Freunde fallen nicht unter das Produkthaftungsgesetz, in diesen Fällen können auch keine Forderungen seitens des Geschädigten geltend gemacht werden. Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen eines Defektes am Produkt, das entweder eine Gefahr für die persönliche Sicherheit des Erwerbers oder anderer Personen oder Sachen darstellt oder nicht den nationalen Sicherheits- oder Industriestandards entspricht. Vom Gesetzgeber werden folgende drei Kategorien der Fehlerhaftigkeit definiert:

–          Fehlerhaftes Design

–          Produktionsfehler

–          Unzureichende Information zu Gebrauch und Funktionsweise des Produktes

Zusätzlich muss unterschieden werden, wann Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler für einen Schaden, der durch ein defektes Produkt entstanden ist, aufkommen mussen.

Entwicklung in der Praxis

Der durch Produkthaftung praktizierte Verbraucherschutz stellt für die Situation des Konsumenten eine essentielle und insgesamt sehr positive Entwicklung dar.

Sehr frühe Beispiele wie z.B. die Nebenwirkungen des Arzneimittels Contergan haben eindeutig bewiesen, dass Konsumentenschutz notwendig ist, da der Schadensnachweis für Verbraucher häufig aus rein praktischen Gründen unmöglich ist.

Die Entlastungspflicht besteht somit auf Seiten des Herstellers. Diese wird als sogenannte Beweislastumkehr bezeichnet. Entlastung des Herstellers ist jedoch nur durch Beweismaterial möglich, das bestätigt, dass der aktuelle Stand der Technik bei Entwicklung, Produktion und Vertrieb des Produktes berücksichtigt und eingehalten worden ist. Deshalb ist es wichtig, die Bedingungen und verfuegbaren Informationen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens belegen zu koennen. So kann der Technische Stand zum fraglichen Zeitpunkt transparent gemacht und auch im Nachhinein richtig eingeschätzt werden. Der zeitliche Zusammenhang ist hier besonders zu beachten um zu gewährleisten, dass „Gleiches mit Gleichem“ verglichen wird, und nicht z.B aktuelle Standards auf ein Produktionsszenario, das unter anderen Voraussetzungen stattgefunden hat, zur Beurteilung angewandt werden. Dies würde zu falschen Einschätzungen und Schlussfolgerungen in Bezug auf die Produktsicherheit, Qualität, Stand der Technik und schließlich Sorgfalt des Herstellers führen. Hierzu ist eine adäquate Dokumentation seitens des Herstellers unerlässlich, deren Vollständigkeit an erster Stelle steht. Ebenso wichtig ist eine effiziente Organisation der Dokumentation um zeitnah und mit geringem Kostenaufwand auf archivierte Dokumente und Daten zugreifen zu können, die den gewünschten Informationsstand wiedergeben.

Produkthaftung in China

Im Gegensatz zu Europa und den USA, Regionen in denen der Konsumentenschutz stark ausgeprägt und weit entwickelt ist, befindet sich das Thema in China sowohl aus Sicht der rechtlichen Rahmenbedingungen als auch aus Verbrauchersicht noch in den Anfängen.

Pionier in Sachen Produkthaftung und der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen war und ist nach wie vor die Automobilindustrie, da die Produkte sehr komplex sind. Vor allem von internationalen Herstellern werden weitreichende Standards allen Kooperations- und Geschäftspartnern im Wertschöpfungsprozess zur Auflage macht. Mit Einführung des neuen Produkthaftungsgesetztes rückt auch die zukünftige Entwicklung des rechlichen Rahmens der Produkthaftung in China  in den Interessensfokus.

Helmut Stein, Leiter des  VDA QMC (Qualitäts Management Center im Verband der Automobilindustrie) in China erwartet, dass die Schaffung einer umfassenden Gesetzesgrundlage seitens der Regierung zügig erfolgen wird und in ihrer Richtung dem Trend zu einer Anpassung an europäische Standards folgen wird. Die uebertriebene Interpretation der Produkthaftung, die Fällen in den USA bereits anhaftet, wird sich in China aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durchsetzen. Eine totale Herausnahme der Eigenverantwortung des Verbrauchers, wie durch beispielhafte Gerichtsurteile in den USA praktiziert, ist nicht adäquat und entspricht nicht dem ursprünglichen Gedanken, den Verbraucher zu schützen, wenn er unverschuldet durch ein defektes Produkt zu Schaden kommt.

Neben der Gesetzesgrundlage stellt die Sensibilisierung der Bevölkerung für mit einem Produkt verbundene Risiken den zweiten Bestandteil im Bereich Produkthaftung dar. Beispielhaft hierfür steht der alltägliche Straßenverkehr in China, an dem noch deutlich zu beobachten ist, dass das Risikobewusstsein der Menschen wenig ausgeprägt ist. Dieses Bewusstsein bildet sich erst aus eigener Erfahrung und durchlebter Entwicklung sowohl im technischen als auch im gesamtgesellschaftlichen Sinne langsam heraus. Dieses Entwicklungsstadium wird gerade im technischen Bereich übersprungen, viel mehr wird Erfahrung mit neuen Produkten „importiert“. Die technische Entwicklung erfolgt schneller, als sich eine Verhaltensänderung der Menschen vollzieht.

Die Zusammenführung dieser beiden Aspekte macht die Produkthaftung in China zu einer Herausforderung, an deren Schlüsselstelle sich stets die Frage stellt, wie „naheliegender Missbrauch“ zu definieren ist und bei welchen möglichen Risiken die Grenze liegt, anhand der zum Beispiel über eine Aufnahme eines Warnhinweises in das Produkthandbuch entschieden wird. Gerade Benutzerhandbücher müssen daher den landesspezifischen Vorkenntnissen und Voraussetzungen angepasst werden, um eine sogenannte missbraeuchliche Nutzung auszuschliessen.

Eine durchgängige Gewährleistung der hohen Produktqualität stellt besonders in der Automobilindustrie insofern eine große Herausforderung dar, da über die gesamte Zulieferkette durchgängig die gesetzten Standards sichergestellt werden muessen.

Sensibilität und breite Aufmerksamkeit für das Produkthaftungsthema werden dann Einzug halten, wenn spektakulaere Produkthaftungsfaelle auftreten (wie beispielsweise der Milchskandal) und Unternehmen an das Existenzminimum gedrängt werden oder gar geschlossen werden muessen. Die bisher verhandelten Fälle erreichen systembedingt nicht die Höhe der Schadenssummen, die aus US-amerikanischen Fällen bekannt sind. Für die Entwicklung der Produkthaftung in China sei eine derart exzessive Entwicklung wie in den USA jedoch nicht zu erwarten, so Helmut Stein weiter.

Produkthaftungsfälle stellen für Unternehmen in jedem Fall ein hohes Kostenrisiko dar. Der Mehraufwand zur Fallvermeidung kann auch nicht werbewirksam vermarktet  werden. Die Fallkosten dagegen koennen immens und der gegebenenfalls erlittene Imageschaden dramatisch sein.

Umso konsequenter ist die Systematik der Unternehmensprozesse zu verbessern und der Produkthaftungsgedanke in der gesamten Zulieferkette durchgehend zu implementieren. Zertifizierung allein gibt hierbei keine Sicherheit. Gerade ausländische Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt vertreten sind, sollten daher von Beginn an auf eine professionelle Dokumentation achten, um so dem Thema Produkthaftung, das in China zunehmend an Bedeutung gewinnt, gerecht zu werden. Darüber hinaus sollte bei der Wahl der Kooperationspartner darauf geachtet werden, dass das betrachtete Unternehmen auch entsprechend sensibilisiert ist und ausreichend Vorkehrungen getroffen hat.


Sollten Sie Fragen zum Rechtsbereich „Produkthaftung“ oder bezüglich Ihrer Zusammenarbeit mit chinesischen Geschäftspartnern haben, wenden Sie sich bitte an Richard.Hoffmann@dezshira.com.

Dezan Shira & Associates ist bereits seit 18 Jahren als Steuer- und Rechtsberatungsunternehmen für ausländische Investoren in China tätig und kann Sie auch in der Einschätzung chinesischer Unternehmen hinsichtlich Produkthaftungsfällen und –vorbelastung aus erster Hand beraten.

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