Chinas neues, verschärftes Umweltgesetz

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Human hand holding our planet earth glowingDieser Artikel erschien zuerst auf China Observer via Econet Monitor

Im November 2014 fand in Peking die 26. Konferenz der AsiatischPazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) statt, bei der die Regierungsoberhäupter aus 21 Ländern über die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit im pazifischen Raum sprachen. Mit Blick auf die UN-Klimakonferenz in Paris in 2015, nutzten China und die USA das Treffen auch zur Bekanntgabe von neuen bilateralen Klimazielen. Bereits Wochen vor dem Gipfel begannen die chinesischen Behörden mit den Vorbereitungen, um den internationalen Gästen eine smogfreie Hauptstadt präsentieren zu können.

Durch administrative Anordnungen wurde über 1.000 Fabriken in Peking und in den umliegenden Regionen vorübergehend ein Produktionsstillstand auferlegt sowie die von den Olympischen Spielen im Jahr 2008 bekannten Fahrbeschränkungen reaktiviert. Tatsächlich war der gewünschte Effekt während des Treffens deutlich sichtbar – Werte für Feinststaubpartikel sanken teilweise um 30 Prozent – und wurde von der chinesischen Presse umgehend auf den Namen “APEC Blue” getauft. Im Anschluss an die Konferenz wurde von einigen lokalen Behörden in Peking sogar verkündet, APEC Blue dauerhaft beibehalten zu wollen.

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Experten sind sich einig: Wenn China APEC Blue als dauerhaften Zustand etablieren will, muss es seine ökonomische Struktur durch Umgestaltung grundlegend verbessern – dies ist jedoch nur durch strikte legislative Maßnahmen zu erreichen, welche eine solche Aufwertung forcieren. Ein Instrument, mit dem ein großer Schritt in diese Richtung gegangen werden könnte, ist das neue “Environmental Protection Law” (EPL), welches ab dem 1. Januar 2015 in Kraft treten wird. Genauer genommen handelt es sich dabei um die Revision des bereits bestehenden EPL aus dem Jahr 1989. Dieser erste Nachtrag seit 25 Jahren wurde über mehr als eine Dekade debattiert, überarbeitet sowie öffentlichen Meinungsumfragen unterzogen, bis schließlich im April 2014 der mittlerweile vierte Entwurf vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses (NPCSC) mit großer Mehrheit bestätigt wurde.

Die wichtigsten Änderungen betreffen vor allem erhöhte Strafen für untätige bzw. uneinsichtige Umweltsünder und die Möglichkeit für die Bevölkerung, sich aktiver gegen solche zu Wehr zu setzen. Ursprünglich beinhaltete der Gesetzestext 47 Paragraphen nach der Revision werden es nun 70 sein, einschließlich eines gänzlich neuen Kapitels zur Offenlegung von Emissionsdaten und Bürgerbeteiligung. Hinzu kommen ein neuer spezieller Richterstuhl an Chinas Oberstem Volksgerichtshof sowie 134 regionale Pilotgerichte, verteilt auf das ganze Land, welche sich ausschließlich mit Fällen zu Umweltverschmutzung auseinandersetzen sollen, um dem Gesetz zusätzlich eine starke judikative Basis zu verleihen.

Hintergrund und Herausforderungen

Die Umweltprobleme Chinas und die daraus resultierenden Herausforderungen sind hinreichend bekannt und vielerorts sichtbar. Erst im März hatte Ministerpräsident Li Keqiang bei einer Pressekonferenz daher den “Krieg gegen die Umweltverschmutzung” ausgerufen, während fast zeitgleich vom Umweltschutzministerium (MEP) zwei Studien veröffentlicht wurden, welche Chinas Grundwasser und Ackerböden desolate Zustände bescheinigen und damit dem Vorhaben noch größere Dringlichkeit verleihen. Knapp 60 Prozent der unterirdischen Wasserreserven Chinas sind demnach bereits so stark verunreinigt, dass sie ohne intensive Behandlung nicht mehr als Trinkwasser verwendet werden können. Ähnlich schlecht steht es um die Qualität der landwirtschaftlich nutzbaren Böden im Reich der Mitte über 20 Prozent weisen mehr als das Zweifache der erlaubten Menge an Schwermetallen wie Cadmium, Nickel oder Quecksilber auf.

Obwohl das neue Gesetz den Behörden eine Vielzahl neuer Möglichkeiten bietet gegen Umweltdegradation vorzugehen, bleibt abzuwarten, wie effektiv es sich in der Praxis herausstellen wird. Laut Tong Weidong, Vertreter der Rechtsabteilung des NPCSC, befassen sich bereits jetzt, neben dem bisherigen EPL, rund 30 weitere Gesetze mit unterschiedlichen Aspekten des Umweltschutzes in China. Das große Problem jedoch bleibt die tatsächliche Vollstreckung der Gesetze durch die zuständigen staatlichen Organe. Häufig stehen die Bestimmungen im internationalen Vergleich ihren Gegenstücken in kaum etwas nach, werden jedoch von den Lokalregierungen nur halbherzig oder überhaupt nicht durchgesetzt. Zurückführen lässt sich diese Diskrepanz unter anderem auf die einseitige Beförderungspolitik der Kommunistischen Partei, welche sich während der vergangenen drei Jahrzehnte hauptsächlich auf Wirtschaftswachstum um jeden Preis beschränkte.

Viele Beamte nahmen selbst starke Umweltverschmutzung in Kauf, solange die dafür verantwortlichen Firmen die lokale Wirtschaft ankurbelten und die Beamten im Gegenzug ihren Vorgesetzten kräftiges Wachstum präsentieren konnten. Dies wird und wurde bereits teilweise geändert: So wird dem Umweltschutz in 84 Gemeinden in der südchinesischen Provinz Fujian beispielsweise bereits seit Anfang des Jahres eine höhere Priorität bei der Bewertung der Beamten beigemessen als ökonomischen Faktoren. Auch in Peking sollen ab 2017 verbindliche Feinststaubwertziele (ein durchschnittlicher PM 2.5Wert von 60 im Jahr) für die Lokalregierung gelten, welche bei Nichterfüllung sogar zu Degradierungen von Regierungsbeamten führen könnten.

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Neuerungen des Gesetzes

Das derzeitige Gesetz wurde bislang vor allem wegen seiner vagen Formulierungen und der unzureichenden Sanktionsmöglichkeiten gegen Umweltsünder kritisiert – ganz abgesehen von der mangelhaften Umsetzung. Selbst wenn Unternehmen mehrfach und über längere Zeiträume die vorgegebenen Regulierungen nicht erfüllten, konnte das MEP lediglich einmalige, relativ geringe Geldbußen verordnen, welche in keinem Verhältnis zu den Kosten standen, die die Firmen zur tatsächlichen Erfüllung der Umweltauflagen hätten aufbringen müssen. Dies soll sich durch das überarbeitete EPL nun entscheidend ändern. Bis zu 100.000 CNY pro Tag müssen Umweltsünder zahlen, wenn das MEP dies für angemessen hält. Eine zeitliche Begrenzung für diese Ahndung ist nicht vorgesehen – den Unternehmen sollen so lange Bußgelder auferlegt werden, bis sie entweder die Produktion stilllegen oder ihre Anlagen mit den notwendigen Technologien aufrüsten, um den vorgegebenen Standards zu entsprechen.

Dabei können lokale Regierungen sogar soweit gehen und uneinsichtigen Unternehmen, die sich trotz der Sanktionen zur Erneuerung ihrer Anlagen weigern, einen bindenden Produktionstop verordnen. Zusätzlich muss jedes Unternehmen bereits in der Planungsphase, wenn beispielsweise Modernisierungen durchgeführt oder neue Produktionsstätten gebaut werden sollen, einen Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (Environmental Impact Assessment, EIA) an das MEP übermitteln, in dem alle kalkulierten Emissions und Schadstoffdaten kenntlich gemacht werden müssen.

Ein solcher Bericht wird zwar bereits seit 2013 eingefordert, bekommt durch das neue Gesetz jedoch eine noch stärkere legislative Grundlage und soll im Anschluss an die Bewilligung vom MEP auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein EIA ist außerdem Voraussetzung für die Einholung der gesetzlich erforderlichen Produktionslizenz. Bei illegalem Vorgehen – etwa der Nichtangabe oder falschem Reporting von Emissionen und Umweltschadstoffen – können die Leiter der Unternehmen strafrechtlich verfolgt und sogar inhaftiert werden. Darüber hinaus werden solche Firmen vom MEP auf eine landesweite “Schwarze Liste” gesetzt, die auch an Kreditinstitute und Banken weitergeleitet wird, welche angehalten werden, diesen Firmen keine Darlehen mehr auszustellen. Letztlich sind alle Produktionsunternehmen ebenfalls verpflichtet, ein Monitoring-System über ihren Ausstoß von CO2 und anderen Umweltschadstoffen einzurichten und die Daten an das MEP zu übermitteln, sowie Genehmigungen für das Freisetzen von Schadstoffen zu erwerben.

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Eine reine Sanktionspolitik gegenüber emissionsintensiven Unternehmen ergebe jedoch wenig Sinn, so Li Jingyun, Vizedirektorin der Rechtsabteilung des MEP. Weitaus bessere Ergebnisse ließen sich mittels einer Politik erzielen, welche eine Balance finde, zwischen strengen aber angemessenen Sanktionen und attraktiven Anreizen zur freiwilligen Emissionsreduktion. Neben den erwähnten Strafmaßnahmen werden daher auch Impulse wie Steuererleichterungen und vergünstigte Kredite festgeschrieben, die Unternehmen zugutekommen sollen, welche nachweislich ihre Umweltbilanz über das geforderte Maß steigern.

Eine weitere interessante Neuerung stellt die verstärkte Einbeziehung der Bevölkerung in die Bewältigung der Umweltprobleme dar. Dies soll durch zweierlei Maßnahmen erreicht werden: Einerseits durch die verbindliche Offenlegung von Berichten sowie anderen Emissions und Schadstoffdaten der Unternehmen und dem daraus resultierenden öffentlichen Druck bei nicht akzeptablen Werten, andererseits durch die Möglichkeit für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Gerichtsverfahren im öffentlichen Interesse gegen verschmutzende Unternehmen zu führen, welche sich nicht an die geltenden Regelungen halten.

Dabei ist bislang noch nicht vorgesehen, wie diese Auflage praktisch umgesetzt werden soll. Tong Weidong von der Rechtsabteilung des NPCSC ließ dazu verlauten, dass der ideale Weg sicherlich das Live-Monitoring auf der firmeneigenen oder gar der lokalen MEP-Webseite darstelle, jedoch aufgrund fehlender konkreter Festlegung im Gesetzestext auch Informationstafeln vor dem entsprechenden Fabriksgelände rechtlich ausreichend seien. Hier liegt es an den lokalen Behörden, eine praktisch umsetzbare Lösung zu finden. Durch diese Maßnahme können sich Bürger künftig zeitnah über Emissionsdaten von Unternehmen informieren. Sollten diese nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, können die Bürger durch NGOs ein Gerichtsverfahren gegen diese Unternehmen anstrengen. Erlaubt ist dies Organisationen, welche sich auf kommunaler oder höherer Ebene bei den chinesischen Behörden registriert haben und seit mindestens fünf Jahren im Bereich des Umweltschutzes tätig sind – trotz dieser Beschränkungen beträgt die Zahl der hierfür berechtigten NGOs rund 300 landesweit.

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Transparenz sei ein kraftvolles Instrument, erklärt Li Jingyun vom MEP, um Unternehmen aber auch die Regierung zu motivieren, die neuen Regelungen gewissenhaft und konsequent umzusetzen. Bereits jetzt seien Umweltthemen und insbesondere der allgegenwärtige Smog in den Großstädten eines der am meisten diskutierten Themen im Internet und sozialen Netzwerken. Der Gouverneur der nordostchinesischen Provinz Hebei, Zhang Qingwei, welche in China berüchtigt für ihre hohen Feinstaubwerte ist, erklärte erst kürzlich, welch massiven Imageschaden die Umweltverschmutzung für seine Provinz bedeute. Im Jahr 2013 waren laut chinesischen Medien sieben der zehn am meisten verschmutzten Städte Chinas in dieser Provinz gelegen, die die Städte Peking und Tianjin umschließt. Die Bevölkerung, aber auch die Medienlandschaft stellt also hohe Erwartungen an das neue Gesetz.
Neue Möglichkeiten für Unternehmen

Bereits im April war der offizielle Gesetzestext öffentlich verfügbar gemacht worden – knapp acht Monate hatten die in China ansässigen Unternehmen also Zeit, sich auf das Inkrafttreten der verschärften Bestimmungen ab Januar 2015 vorzubereiten. In dieser Zeit wurde bereits von vielen Firmen eine KostenNutzen-Analyse durchgeführt, um auf eventuelle Mehrausgaben vorbereitet zu sein.

In den meisten Fällen zeigte sich dadurch jedoch, dass langfristig durch die Nachrüstung von energieeffizienten Technologien sogar Kosten gesenkt werden können. Hinzu kommen die bereits erwähnten Steuererleichterungen für Firmen, die mehr als das geforderte Minimum an Umweltauflagen umsetzen. Wu Wensheng, Managerin für Umweltschutz bei BASF China und Shao Longzhu, Leiter der Rechtsabteilung von Shell China, beispielsweise begrüßen das neue Gesetz ausdrücklich.

Durch eine konsequente Durchsetzung der Regelung würden nicht nur gleiche und vor allem faire Wettbewerbsvoraussetzungen geschaffen, sondern proaktive Firmen sogar belohnt. Bislang verschaffte vor allem gegenteiliges Handeln, also die weitverbreitete Nichteinhaltung der geltenden Bestimmungen und deren unzureichende Ahndung vielen Unternehmen enorme Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten. Nun, durch Maßnahmen zur Steigerung von Transparenz, einer gestärkten Position des MEP und einer eigenen judikativen Basis selbst am Obersten Gerichtshof, werden die Wettbewerbsvoraussetzungen weiter angeglichen.

Einige Unternehmen, insbesondere solche, mit ausländischer Muttergesellschaft, haben sich, so Tong Weidong vom NPCSC, bereits eingehend auf die Gesetzesreform vorbereitet und können den chinesischen Firmen als Vorbild dienen. Viele deutsche Unternehmen werden voraussichtlich wenig an ihren Anlagen ändern müssen, wenn sie bereits nach deutschen oder europäischen Standards produzieren und sind daher gut gewappnet für die kommenden Neuerungen.

 

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