Indien (1/14)

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Aus der Serie  „Chinas Nachbarn“

05. Januar – Mit 14 Nachbarstaaten und einer Grenzlinie von cirka 5.000 km Länge, steigt mit dem wachsenden regionalen Einfluss Chinas auch die Bedeutung dieser Grenzen. Die neue Serie möchte einige dieser Grenzregionen genauer untersuchen und die stattfindenden Entwicklungen dort hervorheben, um herauszufinden auf welche Weise China Einfluss ausübt, beziehungsweise beeinflusst wird.

Formeller Name: Republik Indien

Hauptstadt: Neu Delhi

Landfläche: 3.287.590 km²

Bevölkerung: 1.166.079.217

BIP: US-Dollar 1,237 Billionen (cirka Euro 926,4 Milliarden)

Politische Struktur: Bundesrepublik

Importe: US-Dollar 287,5 Milliarden (cirka Euro 215,3 Milliarden)

Exporte: US-Dollar 175,7 Milliarden (cirka Euro 131,6 Milliarden)

China und Indien haben zusammen fast die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung als Einwohner. Beide Länder setzen den gemeinsamen Annäherungsprozess kontinuierlich fort. Es ist jedoch oft schwierig zu sagen, ob diese neu gewonnene Nähe in einem Zusammenschluss oder in Unstimmigkeiten enden wird.

Bezüglich ihrer Beziehungen haben beiden Länder bisher immer schüchtern und zurückhaltend agiert. Sie unterstützen sich jedoch stets auf internationaler Ebene, wenn es zum Beispiel darum geht, den Industrienationen vor der WTO Agrar-Subventionen abzuringen. Ebenso halten beide Länder regelmäßige diplomatische Gespräche ab, führen gemeinsam militärische Übungen durch, arbeiten bei der Terrorismusbekämpfung zusammen, und verbessern die Bahn- und Flugverkehrsinfrastruktur. Bei der faszinierenden Verbindung zwischen China und Indien handelt es sich um eine wachsende Macht auf dem internationalen Parkett.

Trotzdem sind beide Länder noch dabei, ihre Beziehung zu entwickeln, und gelegentlich bestehen Unstimmigkeiten über Themen wie Grenzziehung, Ablehnung von internationalen Beziehungen, und Konkurrenz um internationale Ressourcen zur Deckung des starken Wachstums. Genau diese Unstimmigkeiten verursachen Schlagzeilen. Ingesamt aber ist der Trend hin zu besseren Beziehung und ein Anstieg im bilateralen Handel zu beobachten.

Regionaler Handel mit ASEAN

Sowohl China als auch Indien haben in den vergangenen Monaten Freihandelsabkommen mit dem ASEAN-Staatenbund abgeschlossen. Diese Abkommen werden den Handel zwischen China und Indien und den ASEAN- Staaten ankurbeln, und dazu beitragen, dass sich der bilaterale sino-indische Handel weiter entwickelt.

Das ASEAN Handelskonsortium umfasst die Länder Indonesien, Thailand, Malaysia, Singapur, Brunei, die Philippinen, Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam.

Die ASEAN wurde im Jahre 1967 gegründet und die Mitgliedsstaaten haben ein vereinigtes Brutto-Inlandsprodukt (BIP) von mehr als US-Dollar 1,1 Billionen (cirka Euro 823,8 Milliarden), sowie eine Gesamtbevölkerung von ungefähr 570 Millionen Menschen. Es wird erwartet, dass Indiens Handel mit den ASEAN-Staaten bis zum September des Jahres 2010 von US-Dollar 47 Milliarden (cirka Euro 35,2 Milliarden), bis zu US-Dollar 60 Milliarden (cirka Euro 44,9 Milliarden) ansteigt. Chinas Handelsvolumen mit den ASEAN-Staaten soll im selben Zeitraum die US-Dollar 80 Milliarden (cirka Euro 59,9 Milliarden) erreichen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Abkommen der ASEAN-Staaten mit China und Indien cirka 3 Milliarden Menschen in Asien beeinflussen. Indien hat die Zollbeschränkungen von cirka 3.500 Produkte für Im- und Export mit der Region, und für ungefähr 7.000 Produkte für den Handel mit China, vollständig abgebaut. Diese Abkommen bedeuten auch, dass immer mehr Produkte, die zwischen Indien und China gehandelt werden, durch die ASEAN-Länder (beispielsweise Myanmar und Vietnam) transportiert werden. Der Einfluss auf Indien und China wird bedeutend sein und könnte zur Wiederbelebung ruhender Handelsrouten zwischen den beiden Ländern führen.

Singapur, Malaysia und Indonesien sind derzeit Indiens größte Handelspartner innerhalb des ASEAN-Verbundes. „Dies ist eine historische Entwicklung, die durch das steigende Engagement zwischen Indien und den ASEAN-Staaten ermöglicht wird und wirtschaftliche Kooperationen befähigt“, sagte der indische Handelsminister Anand Sharma bei der Unterzeichnung eines Handelsabkommens. „Dieses Abkommen wird sicherlich neue Möglichkeiten und Wege für multi-sektorales Engagement eröffnen. “

Das Kalkutta-Guangzhou Gateway

In der Vergangenheit existierten einige Handelsrouten zwischen Indien und China, im Besonderen zwischen Indiens wichtigster Hafenstadt Kalkutta (die heute namentlich unter dem Namen Kolkata bekannt ist) und China. Dementsprechend ist es wahrscheinlich, dass sich die Region zwischen West Bengalen und Indien und der chinesischen Provinz Guangdong erneut dem Handel öffnet.

In den vergangenen 150 Jahren war die Geschichte nicht sonderlich positiv für die Stadt, die den Staat West Bengalen in seiner Entwicklung beträchtlich behinderte.

Kolkata war unter der britischen Kolonialherrschaft Hauptstadt Indiens, verlor diese Position jedoch im Jahre 1911, als Neu Delhi zur neuen Hauptstadt ausgerufen wurde. Die Stadt entwickelte sich zum wichtigsten Hafen der Region, exportierte Güter aus Tibet und China und wurde zum Zentrum der Jute Verarbeitungsindustrie mit Lieferungen aus dem östlichen Teil von Bengalen (heute Bangladesch). Infolgedessen unterhielt der bengalische Staat vor der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 enge Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit China und wurde nur vom Himalaja im Norden und Myanmar im Osten von China getrennt.

In Kalkutta (der Stadtname wurde 2001 geändert) findet man bis heute die größte chinesische Gemeinschaft Indiens. Dennoch, die Stellung Chinas in Tibet, der chinesisch-indische Grenzkrieg von 1962 sowie der Zusammenbruch der Jute Industrie in Folge der Unabhängigkeit des Landes, leiteten das Ende Kalkuttas als internationalen Handelshafen ein. Aber dies könnte sich auch bald wieder ändern. Denn durch die Stärkung von Handelsverbindungen zwischen Indien und China, könnte auch Kolkata seine Bedeutung im Sino-indischen Handel wiedererlangen.

Die chinesische Regierung hat 2008 ein Konsulat in Kolkata eröffnet, Indien tat das gleiche zum selben Zeitpunkt in Guangzhou. Außerdem gibt es nun auch Direktflugverbindungen zwischen Kolkata und Guangzhou, China und Dhaka. Durch diese Verlinkung wird auch Bangladesch, das Teil der einst zerstörten Handelsroute war, wiederbelebt.

West Bengalen ist nicht nur aufgrund seiner Nähe zu China für Indien von entscheidender strategischer Bedeutung, sondern auch wegen seines verborgenen Potentials. Die indische Regierung hat kürzlich das Programm „Nord-Ost Regional Vision 2020“ vorgestellt, dass sich spezifisch an West Bengalen und Kolkata als die Hauptstadt dieses Bundesstaates richtet. Premierminister Manmohan Singh kommentierte die Frage bezüglich des neuen Indien-ASEAN Freihandelsabkommen wie folgt. „Wenn der Nordosten durch bestimmte verbesserte Handelsbeziehungen oder durch beliebige andere gegenwärtige oder zukünftige Freihandelsbeziehungen profitieren soll, dann müssen nur die zahlreichen schriftlichen Pläne und Vorschläge implementiert und zuerst zur Erfüllung gebracht werden. “ Singh sagte auch: „Der Nordosten Indiens, ein Lager an großen natürlichen Ressourcen, aber mit zurückgebliebener Wirtschaft, muss aufgebaut werden und vorbereitet sein, wenn es wirklich darum geht, das „Tor“ oder das „Zentrum“ des Handels zwischen Indien und Ostasien zu sein.“

Dies hat auch der cinesische Generalkonsul in Kolkata, Mao Siwei, erkannt. In einer Rede vor der bengalischen Industrie- und Handelskammer im April, erklärte Mao, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Indien eine „Win-Win Situation“ darstellen würden. Er führte auch Chinas Kapazität zur Produktion von Energie Equipment und zum Aufbau von Kraftwerken an, die viel höher sei als die inländische Nachfrage.

„Um die Entwicklung und die Beibehaltung von Kapazitäten bei der Herstellung von Energie Equipment und den Aufbau von Kraftwerken zu gewährleisten“, sagte Mao „muss die chinesische Energie Industrie ins Ausland gehen. Sie haben viele große Märkte in der Welt gefunden, aber der indische Markt ist einer der größten.“

Die Provinz Guangdong hat die Absicht geäußert, sich mehr zu einem Hightech-Zentrum entwickeln zu wollen und auf diese Weise dort ansässige Industrien in der Produktionskette vorzuverlagern. Es wird angenommen, dass die Herstellung von vielen günstigen Produkten der Elektronik- und Textilbranche in der Zukunft nach Bengalen und Vietnam verlagert wird. Angesichts der Tatsache, dass in Shenzhen und Guangzhou das Durchschnittsgehalt und das pro-Kopf BIP Einkommen höher sind als in Shanghai, kann es sich die Provinz Guangdong einfach nicht mehr leisten, an seiner Stellung als Industrie-Herstellungs-Basis im Low-End festzuhalten. West Bengalen und Vietnam werden den Großteil der Herstellungskapazitäten im arbeitsintensiven Produktionssektor übernehmen.

Mumbai und Shanghai: Finanz- und Handelszentren

Mumbai und Shanghai teilen strategische Verbindungen und viele Gemeinsamkeiten. Beide sind große Hafenstädte und die Finanz- und Handelstore der beiden Länder. Sie beheimaten die jeweils wichtigste Handelsbörse, und es bestehen zwischen beiden Städten Direktflugverbindungen. Chinesische Firmen, die Produkte auf dem indischen Markt absetzen, finden oft Auslieferer in Mumbai, während indische Firmen mit dem gleichen Ziel immer aktiver in Shanghai und den umliegenden Regionen werden.

In Folge des Wirtschaftsbooms haben sich die Lebenshaltungskosten und das Konsumverhalten der Bevölkerung der ungefähr gleich großen Städte rasant entwickelt. Mumbai hat gerade Pläne für den 100-stöckigen Wadala Tower bekannt gegeben, der damit groß genug ist, um mit dem Shanghaier World Trade Center in Pudong zu konkurrieren. In beiden Städten wird eine Ausgabe des Time Out Magazins angeboten, um die Nightlife- und Barszene der jeweiligen Stadt hervorzuheben. Mumbais Hotspots können so auch langsam mit denen Shanghais mithalten.

China und Indien haben immer noch einen langen Weg vor sich, um sich gegenseitig vollständig zu verstehen und um von den Gemeinsamkeiten zu profitieren. Beide Regierungen scheinen bemüht, auf lange Sicht sich zwar getrennt voneinander, aber immer auch zu beiderseitigem Nutzen, zu entwickeln und dies kann nur gut für beide Länder und Regionen sein. Während gelegentliche Unstimmigkeiten die Gemüter erhitzen, ist dennoch bereits festzustellen: bilateraler Handel, direkt und durch die ASEAN-Staaten, befindet sich auf dem Vormarsch.

Lesen Sie Teil 2, Laos, hier.

Dezan Shira & Associates unterhält 5 Büros in Indien, einschließlich eines in Mumbai und Kolkata, sowie 9 Büros in China, einschließlich eines in Shanghai, Guangzhou und Shenzhen.

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Asia Briefing gibt außerdem Publikationen zu Indien und China heraus: 2point6billion.com behandelt Themen, wie den bilateralen Handel zwischen beiden Ländern, sowie Themen, welche die aufstrebende Region Asien behandeln. Und unser kostenfreies India Briefing Magazin, sowie tägliche Wrtschaftsneuigkeiten können unter: www.india-briefing.com bezogen werden.

Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in China kontaktieren Sie bitte Herrn Richard Hoffmann (Richard.Hoffmann@dezshira.com), Herrn Olaf Griese (Olaf.Griese@dezshira.com), oder Herrn Fabian Knopf (Fabian.Knopf@dezshira.com) von der Beratungsfirma Dezan Shira & Associates.