Unterwegs in der Shanghaier Peripherie (2/2)

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Zweiter Teil

Von Walter-Johannes Spöhring, Dezan Shira & Associates

Ein persönlicher Eindruck vom Alltag eines Geschäftsreisenden im Industriegürtel der Yangtse-Mündung

9. Dezember – In gebrochenem Englisch weist der chinesische Kollege hinter mir seine deutschen Gäste stolz auf die Anzeige hin. Einer der beiden unterbricht seine Mahlzeit um im Stehen ein Beweisfoto zu schießen. Auf dem Rückweg zu seinem Platz sagt er zu seinem deutschen Kollegen: „Die Strecke Köln-Frankfurt ist‘n Witz dagegen.“ Die schnellste Bahnstrecke Deutschlands verläuft von Köln nach Frankfurt am Main. Sie erlaubt eine Höchstgeschwindigkeit von 300km/h. Hätte der Gastgeber die Worte verstanden, hätte es ihn vermutlich noch ein wenig stolzer gemacht.

Blick auf die im Bau befindliche Schnellfahrstrecke Peking-Shanghai. Im Hintergrund Kunshan.

Ich schaue rechts aus dem Fenster und sehe auf die Baustelle der Neubaustrecke Peking-Shanghai. Die Gleise liegen schon, gerade wird die noch kupferrote Oberleitung eingehängt. Die Reisedauer soll sich mit dieser neuen Verbindung im Jahr 2011 von ungefähr 10:30 Stunden auf unter 4 Stunden verkürzen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit  auf der 1318 km langen Strecke beträgt 329 km/h. In diesem Moment fängt der Zug an zu bremsen. „The next stop is Kunshan South. Please get ready for your arrival“, klingt es aus dem Lautsprecher.

 

Am Bahnhof treffe ich meinen Kollegen Fabian Knopf, er ist mit dem Gegenzug aus Suzhou gekommen. Fabian eröffnet für Dezan Shira & Associates ein Büro in Suzhou. Die 30 km von Kunshan entfernte Stadt wurde 514 v. Chr. gegründet und trägt aufgrund ihrer vielen kleinen Kanäle in der Stadt den Beinamen Venedig des Ostens. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland und schon seit Jahrhunderten ein wichtiger Wirtschaftsstandort.  Fabian reist viel in der Region und schwört auf die Schnellzüge. „Es geht einfach am schnellsten und sie sind zuverlässig.“ Gemeinsam steigen wir in das auf uns wartende Shuttle und fahren zu einem nahe gelegenen Industrie-Park, den wir heute besichtigen.

Die zukünftige Hauptstraße des Industrieparks. An der Seite befinden sich Grünstreifen und ein großzügiger Radweg.

Shanghai und das Mündungsgebiet des Flusses Yangtse gehören zu den produktivsten Regionen in ganz China. Dort werden knapp 18 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes des Landes  erwirtschaftet. Während sich in der Stadt Shanghai hauptsächlich Büros befinden, gibt es im Landesinneren (bis 250-300km) viele so genannte Industrie-Parks. Diese bestehen hauptsächlich aus Flächen für das produzierende Gewerbe. Jeder Park zieht andere Industriezweige an, zum Teil durch öffentliche Förderungen gesteuert. Manchmal wohnen die Fabrikarbeiter unmittelbar auf dem Gelände in Wohnheimen. Das Management der Fabrik wohnt hingegen oftmals in Shanghai und pendelt entweder per Auto oder Bahn zum Industrie-Park. Für die Ausbildung der Arbeitskräfte sorgen so gennannte „Vocational Institutions“, dem chinesischen Pendant zur deutschen Berufsschule. Dort werden Jugendliche für eine späteren Tätigkeiten in der Produktion qualifiziert. In der Region gibt es zudem unzählige Hochschulen, teilweise Dependancen renommierter westlicher Universitäten. Während sich der Alltag der meisten Arbeiter hauptsächlich im Industrie-Park und der jeweils nächstgelegenen Stadt abspielt ermöglicht die günstige Lage der Parks und die gute Infrastruktur dem Managementpersonal effizientes Reisen (z.B. über einen der Shanghaier Flughäfen) sowie ein reichhaltiges Kulturangebot in Shanghai.

Stichstraße im Industriepark, Arbeiter installieren gerade Versorgungskabel.

Im Park angekommen werden wir vom Management des Parks empfangen. Mit der wirtschaftlichen Situation der Region zeigt man sich sehr zufrieden. Schon seit einem Jahr wären keine Fabrikhallen mehr frei zur Vermietung, die Rezession sei lange vorbei.  Trotzdem, ausreichend Platz für neue Unternehmen ist vorhanden. Der Park reagiert auf die große Nachfrage und erschließt weiteres Land. Die zweispurige Hauptstraße des neuen Areals ist bereits fertig. Durch einen Grünstreifen getrennt befinden sich auf beiden Seiten der Fahrbahn großzügige Fahrradwege. Bauarbeiter sind damit beschäftigt die Kabel für Strom und Telekommunikation zu verlegen. Am Rand der künftigen Hauptstraße befinden sich alte Wohnhäuser, zum Teil noch bewohnt, die meisten aber schon leer. Sie werden bald verschwunden sein, denn in einem Jahr soll an ihrer Stelle bereits eine Fabrik mit der Produktion beginnen. Die Region Kunshan ist bei Elektronikunternehmen beliebt, so kommen zum Beispiel viele der weltweit verkauften Note- und Netbooks aus diesem Park. Ein Großteil der Investitionen stammen entweder von ausländischen Investoren oder sie gehen in ein Joint-Venture mit einem chinesischen Partner.

Lesen Sie den ersten Teil hier

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