Das Süd-Nord-Wassertransferprojekt – Mit den Fluten des Yangtse den Pekinger Durst stillen

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10. November – Die Knappheit an sauberem Wasser gehörte in China schon immer zu einem der dringendsten Probleme. Der Legende nach hat der große Yu im zweiten Jahrtausend vor Christus im Land mit Hilfe übernatürlicher Kräfte die Fluten gebändigt. In der Moderne existiert ein solcher Mann nicht. Heute muss China mit nur 7 Prozent der weltweiten Wasserreserven 20 Prozent der Weltbevölkerung versorgen. Ein weiteres Problem stellt die sehr ungleiche Verteilung des Wassers im Land dar. Während der Süden durch den Perlfluss und den Yangtse reichlich versorgt ist, leidet man im Norden unter akuter Wasserknappheit.

Niederschlag im Jahr 2008 (mm)

Die chinesische Regierung arbeitet seit dem Jahr 2002 an dem Süd-Nord Wassertransferprojekt (SNWTP). Dieses gigantische Projekt hat eine ausgeglichenere Wasserverteilung im Land zum Ziel, und wird voraussichtlich 2050 fertiggestellt sein. Die Kosten betragen etwa Euro 42,3 Milliarden, und allein für die mittlere Route müssen etwa 300.000 Menschen umgesiedelt werden.

Das SNWTP besteht aus drei Kanälen, jeder von ihnen ist länger als 1000 Kilometer. Die westliche Route wird Wasser vom Oberlauf der Flüsse Yalong, Dada, Yangtse und Tongtian, zum Oberlauf des Gelben Flusses transportieren. Bei der mittleren Route wird der Hanjiang Fluss angezapft, der einer der wichtigsten Zubringer des Yangtse ist. Das Wasser wird dann über einen 1200 Kilometer langen Kanal nach Peking und Tianjin transportiert. Unvorhergesehene Komplikationen haben den Bau der östlichen Route verzögert. Die Fertigstellung soll nun 2013 erreicht sein, und ab 2014 soll die Route vollständig in Betrieb genommen werden. Der Hauptteil der mittleren Route soll 2013 fertig sein und ab 2014 Wasser transportieren. Sobald das gesamte Projekt vollendet ist, können insgesamt etwa 44 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr geliefert werden. Dadurch soll die Wasserversorgung von 300 Millionen Menschen verbessert werden, so die Pläne der Regierung.

Das ambitionierte Projekt ist vor eine Reihe von Schwierigkeiten gestellt, so muss für die östliche Route beispielsweise ein acht Kilometer langer Tunnel unter dem Gelben Fluss in Shandong gebaut werden. Die östliche Route kreuzt über 53 Flüsse. Dadurch kommt eine großen Menge an Wasser der Kategorie 5+ in das System. Der Verschmutzungsgrad des Wassers im System erreicht also eine solche Höhe, dass das Wasser nicht mehr nutzbar ist. Deshalb werden alleine 37 Prozent der Projektkosten für die Aufbereitung des Wassers vorgesehen. Ziel der Aufbereitung ist es, das Wasser auf die Qualitätsstufe 3 zu reinigen. Damit hätte es die Qualität von Trinkwasser der Klasse B erreicht, und wäre für Gewässer mit Fischarten, die es häufig gibt geeignet. Falls dies gelingt, wäre das die größte Reinigungsoperation der Menschheitsgeschichte.

Der Vizepremierminister Li Keqiang, der auch der Vorsitzende der Behörde für das SNWTP ist, hat in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der Korruptionsbekämpfung hingewiesen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kosten für das SNWTP dreimal größer sind, als die Kosten für den Drei-Schluchten-Staudamm, wären die Auswirkungen von Korruption fatal. Li weist auch auf Qualitätskontrolle und Umweltschutz als Schlüsselfaktoren für den Erfolg hin.

Dass die Wasserverteilung trotzdem noch ungleicher wird, davor warnt auch Hui Siyi, Vizeminister des Ministeriums für Wasserressourcen. Die Verbesserungen in der Wasserversorgung durch das SNWTP könnten demnach durch die wachsende Wirtschaft, die Erderwärmung und das Bevölkerungswachstum in Peking mehr als aufgehoben werden. Vergleicht man den jährlichen Niederschlag in den Jahren von 1980 bis 2000 an den Flüssen Huai, Huang, Hai und Liao, mit dem jährlichen Niederschlag zwischen 1956 und 1979, so stellt man einen Rückgang um 6 Prozent fest. Im selben Zeitraum sind die dortigen Reserven an Fluss- und Seewasser um 17 Prozent gefallen.

Wassertransferprojekte sind nicht neu in China. Die östliche Route folgt weitgehend dem alten Kaiserkanal. Er wurde für den Transport von Reis und Getreide vom ressourcenreichen Süden zum Palast in Peking genutzt. Wassertransferprojekte sind auch nicht spezifisch chinesisch. Barcelona erhält zum Beispiel Frischwasser per Schiff aus Südfrankreich.

Der WWF kritisiert diese Projekte. Solche Initiativen seien nur eine technokratische Antwort auf Knappheit durch steigende Nachfrage, und den Aufwand, der durch soziale Kosten sowie Umweltschäden entsteht, nicht wert. Stattdessen seien eine effizientere Verwendung von Wasser und Sparen bessere Ansätze zur Lösung dieses Problems. Die chinesische Regierung scheint ebenfalls dieser Meinung zu sein. Für den 12. Fünf-Jahres-Plan will die Regierung die pro Einheit des BIP benötigte Wassermenge um ein Drittel reduzieren.

Es gibt eine Vielzahl von Wissenschaftlern, Umweltschützern und lokalen Regierungen, die befürchten, dass das SNWTP viele Milliarden RMB verschwenden wird, ohne das strukturelle Problem zu lösen. Die Kritik bezieht sich unter anderem auf die erwähnte Verschmutzung der Zubringer der östlichen Route. Die Auswirkungen auf die Regionen, denen das Wasser entnommen wird, sind ebenfalls unklar.

Ein Beamter der Wasserbehörde in Shanghai hat erklärt, dass ein großes Land wie China große Lösungen benötigt. Er weist aber auch auf die Kehrseite der Medaille hin, die unbekannten Auswirkungen auf die Umwelt.

Dieser Artikel wurde von Johannes Weiershäuser, Junior Consultant bei Dezan Shira & Associates, geschrieben. Wenn Sie mehr zu Infrastruktur-Projekten im Bereich der Wasserversorgung lesen wollen, klicken Sie hier.

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