Quo vadis Hongkong Sonderverwaltungszone (HKSVZ)? (1/2)

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Von Martin Kuroczik

10. Oktober – Alles ging ganz schnell. Der Krankenhaushubschrauber landete auf einer für ihn vorgesehenen exponierten Landeplattform, die sich neben dem Strand auf der Insel Cheung Chau befindet. Das kleine Krankenhaus auf der Insel kann keine Patienten in Notfällen, bei größeren Unfällen oder Geburten versorgen, deshalb steht für diese Fälle ein Hubschrauber bereit, der die Menschen zum großen Krankenhaus nach Pok Fu Lam auf die Hongkong-Insel transportiert.

Der Patient wird in den Bauch des Hubschraubers geladen, worauf dieser abhebt und schnell am Horizont verschwindet. Die Insel Cheung Chau ist eine von vielen Inseln, die zur Hongkong Sonderverwaltungzone (HKSVZ) gehören. Sie kann vom Pier in Central aus, der auf der Hongkong-Insel gelegen ist, innerhalb von einer halben Stunde mit dem Schnellboot erreicht werden. Die Fähren verkehren den ganzen Tag, während des ganzen Jahres, entweder im Halbstundentakt oder zu späterer Uhrzeit im Stundentakt. Aber nicht nur die Bewohner der Inseln, sondern auch die Menschen auf dem gesamten weiteren Gebiet der HKSVZ werden in hoher Frequenz mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgt und durch eine effiziente Infrastruktur und ausgeklügelte Administration unterstützt.

Dabei sind die Herausforderungen den man begegnen muss durchaus vielfältig und nicht zu unterschätzen, denn das Gebiet umfasst neben vielen Inseln, teilweise hügeliges, nur durch einen Tunnel zu erreichendes Hinterland, sowie Brücken und Hochstraßen. Die hervorragende Infrastruktur für die Hafenlogistik darf natürlich auch nicht ungenannt bleiben. Der öffentliche Verkehr ruht nur, wenn starke Unwetterwarnungen vom „Hong Kong Observatory“, dem Wetteramt verkündet wurden und die Menschen aufgefordert sind, ihre Unterkünfte nicht zu verlassen.

Auch zwei Tage nachdem eine Unwetterwarnung der Stufe Acht aufgehoben wurde, kräuselt sich das Meer immer noch und der Wellengang ist hoch. Stufe Acht ist einer der höchsten Werte auf der Skala der Unwetterwarnungen, die vom Wetteramt herausgegeben werden. Die niedrigste Warnstufe ist Eins und die höchste Zehn. Eine Unwetterwarnung der Stufe Zehn gab es das letzte Mal im Jahr 1999. Danach mussten tagelang die Fenster der Bürotürme im Central-Distrikt repariert werden und Glasscherben entsorgt werden. Nähert sich ein Taifun dem Gebiet der HKSVZ innerhalb eines bestimmten Umkreises, werden Warnungen über Rundfunk, Fernsehen und Internet mit einer farblichen Kodierung, je nach der Gefahrenstufe herausgegeben. Warnschilder werden zudem gut sichtbar an öffentlichen Plätzen oder Verkehrsknotenpunkten angebracht, wie zum Beispiel in den Ubahnhaltestellen.

Neben dem guten Investitionsklima, welches ausländischen Investoren Möglichkeiten bietet mit hoher Rechtssicherheit von Hongkong aus in den riesigen Markt des chinesischen Festlandes zu investieren, ist auch das ein Grund, warum sich Hongkong bei geschäftstüchtigen Ausländern großer Beliebtheit erfreut. Geschäftsleute aus allen Teilen Chinas und der Welt sind in Hongkong ansässig.

Das wirft natürlich die Frage auf, wie es um die Zukunft der HKSVZ bestellt ist, nicht zuletzt wegen der Wahl um den Posten des Chief Executive, dem höchsten administrativen Amt der Sonderverwaltungszone, die im nächsten Frühjahr wieder stattfindet. Wie ist es um Hongkongs zukünftige Wettbewerbsfähigkeit bestellt? Wieviel oder wie wenig Gestaltungsspielraum haben die Politiker um die Geschicke auf den vielen Inseln, in den Schulen, den Universitäten, auf den Arbeitsmarkt, in den Häfen, in den Geschäften, im Gesundheitswesen oder auf dem Wohnungsmarkt zu lenken?

Dazu einige Anmerkungen: Eines ist klar, Hongkongs Wettbewerbsfähigkeit in den klassischen Industrien, wie zum Beispiel der Vertrieb oder die Hafenlogistik für exportorientierte Unternehmungen, wird durch das chinesische Festland auf zweierlei Wegen herausgefordert. Erstens, weil die Konkurrenz auf dem Festland billiger arbeitet. Zweitens, weil sich viele reine exportorientierte Unternehmungen nicht mehr lohnen und das chinesische Festland daher als Absatzmarkt mit riesigem Potential interessanter und wichtiger wird. Durch diese Vorzeichen ist Hongkong von der Geographie betrachtet nicht mehr so günstig gelegen. Hongkong bietet als Gegenargument eine starke Finanzindustrie, die mit großer Erfahrung und guten Kontakten ausgestattet ist.

Aber schon wegen den oben genannten zwei Herausforderungen darf sich Hongkong nicht auf seinen status quo ausruhen. Es muss deshalb genug Kreativität entwickeln um auch zukünftig in der Lage zu sein weitere Nischen für sich zu finden und herauszubilden. Daher sollte man viel in die Generation der jüngeren Hongkonger investieren und sie bei ihren Gang in die Zukunft begleiten. Jüngere Hongkonger wären dabei gut beraten aufgeschlossener mit ihren Altersgenossen auf dem Festland umzugehen. Ein vom Zynismus zerfressenes Zurücksehnen nach den Zuständen unter britischer Krone, wie bei manch alteingesessenen Hongkong ist dabei keine Option für die Zukunft. Jammern und Meckern wegen neuer Realitäten können wir Europäer auch und das wird uns auch zurecht vorgehalten, weiterbringen würde es uns nicht. Zynismus und Angst rauben die Kraft für Kreativität, Ideen und Optimismus mit denen man die neuen Realitäten mitgestalten kann. So verstockt und autoritär wie oft dargestellt sind die Menschen auf dem Festland nicht, wenn man sie aber weiter alle über einen Kamm so verteufelt, sollte man sich auf Hongkonger-Seite in der Zukunft nicht wundern, wenn Festlandchinesen Hongkongern dann mit ähnlichem Misstrauen gegenüber treten. Es handelt sich dabei in vielen Fällen um einzelne Menschen, denen man persönlich begegnen sollte ohne dahinter gleich ein System zu vermuten.

Es kam zum Beispiel vor, dass viele Touristen vom chinesischen Festland wirklich nach Hongkong kamen um als Touristen das Gebiet zu besuchen. Deren Aufschrei war zurecht erregt, als sie von deren Reiseleiter gezwungen wurden, einen bestimmten der vielen Konsumtempel zu besuchen. Wie gesagt, viele Festlandchinesen besuchen Hongkong wirklich nur zum Shoppen, aber eben nicht alle. Man sollte sich deshalb hüten, alle über einen Kamm zu scheren, sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite.

Viele Hongkonger fühlen sich oft zurecht einer ständigen Propaganda des Festlandes ausgesetzt und in dem Selbstverständnis verletzt, ein freierer Teil Chinas zu sein. Dabei wird aber gerne unterschlagen, dass es keineswegs nur Zensur gibt, die von den Behörden auf dem chinesischen Festland ausgeht. Es gibt durchaus Interessensgruppen in Hongkong, die eine Zensur begrüßen, wie Philipp Bowring in der Printausgabe der South China Morning Post vom 2. Oktober anmerkte. So kam es bei einem Besuch von Li Keqiang, seines Zeichens der Vize-Premierminister und Mitglied des chinesischen Staatsrates, zu einer Zensur im Hongkonger Fernsehen, die das Hongkonger „Information Services Department“ veranlasste, als Li den nämlich Besuch dazu nutzte um die mangelhafte Leistung und die ideenlose Führung der HKSVZ, die zusammen mit dem „Big Business“ die Angelegenheiten Hongkongs lenkt, zu kritisieren. Der Vorwurf, dass die Führung und die Seilschaften ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen wollen und sich nur um ihre Pöstchen kümmern steht bei der Hongkonger Öffentlichkeit schon länger im Raum, meint Bowring. Vetternwirtschaft ala Hongkong. Natürlich ist in diesem Fall das Problem in Peking zumindest auch teilweise hausgemacht und lässt sich wahrscheinlich so schwer lösen wie die Quadratur des Kreises. Das wiederum stärkt den Ruf nach frischen Blut und frischen Ideen in der HKSVZ-Administration. Diese Führung sollte dann nicht aus den alten Seilschaften bestehen. Die Meinung konservativer Hongkonger, „was nicht kaputt ist, muss man nicht reparieren“, hilft in diesem Falle auch nicht wirklich weiter. Denn laut Bowring versäumte es Hongkong schon seit längerer Zeit, Schritte zur Lösung der in Hongkong wachsenden Umweltproblematik zu finden, sowie der sich weiter öffnenden Schere der Einkommensungleichheit entgegen zu wirken.

Lesen Sie hier demnächst den zweiten Teil, der unter anderem über die Stellung der englischen Sprache handelt.

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